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Meinung: Die Selbstzerstörung des Systems

Eine Rentenkürzung für Kinderlose ist keine Strafaktion Von Kostas Petropulos

Die Republik ist wieder in Aufruhr. Mit Blick auf den anhaltenddramatischen Geburtenschwund hat der bayerische CSU-Ministerpräsident Edmund Stoiber spürbare Verbesserungen für Eltern in der Rentenversicherung verlangt – finanziert durch entsprechende Kürzungen bei Kinderlosen. Der empörte Aufschrei der Betroffenen in den Parteien, Verbänden und Medien folgte prompt. So warnte etwa die Vizechefin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Maria Böhmer eindringlich davor, Kinderlose durch Belastungen bei den Beiträgen und Einschnitten bei den Renten „doppelt zu bestrafen“.

Mit ihrem Lamento stellen die Verteidiger des Status quo die Wirklichkeit auf den Kopf. Entgegen dem politisch gern bedienten Missverständnis in weiten Teilen der Bevölkerung leisten die heutigen Beitragszahler nichts für ihre eigene Alterssicherung. Ihr Geld geht direkt an die heutigen Rentner, also die eigene Elterngeneration. Dabei entstehen lediglich Rentenansprüche, die allein von der heutigen Kindergeneration bedient werden müssen.

Wer demnach „freiwillig“ oder aus biologischen Gründen keine Kinder hat, wird deshalb ohne Gegenleistung im Alter vollständig von den Kindern versorgt, die andere großgezogen haben. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb die Formel von der Gleichwertigkeit von Beitrags- und Erziehungsleistung geprägt.

Legt man diesen Maßstab an, zeigt sich, wie abgrundtief erziehungs- und damit elternfeindlich das heutige System ist. Gerade Mütter, die drei und mehr Kinder in Vollzeit großgezogen haben, erhalten die niedrigsten Renten; wer dagegen auf Kinder verzichtet und nur Beiträge eingezahlt hat, erwirbt die maximal möglichen Ansprüche.

Die angeblichen Verbesserungen der Bundesregierung für Eltern sind reine Augenwischerei. Abgesehen davon, dass diese „Segnungen“ faktisch erst ab dem Jahr 2030 kassenwirksam werden, ist der entscheidende Punkt viel mehr: Die heutigen genauso wie die künftig ausbezahlten Leistungen werden von den jeweils wirtschaftlich Aktiven über Sozialbeiträge oder Steuern erbracht. Diese Aktiven sind aber die einstigen Kinder. Somit kommen allein sie für die „Vergünstigungen“ ihrer Eltern im Ruhestand auf.

Und was ist mit den „hohen Steuern“, die Kinderlose heute abführen und damit beispielsweise Kindergärten, Schulen und Universitäten finanzieren? Auch Eltern bezahlen Steuern. Und zwar weitaus mehr, als es ihrer tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entspricht. Das räumte selbst Bundesfamilienministerin Renate Schmidt ein. Fachleute rechnen sogar vor, dass Eltern für ihre Kinder monatlich jeweils einige hundert Euro mehr bezahlen, als sie durch staatliche Transfers erhalten.

Damit ist die Belastungsrechnung aber nicht vollständig. Die Nachwuchsgeneration soll ja nicht nur die künftigen Renten schultern. Hinzu kommt die komplette Finanzierung der Krankenversorgung alter Menschen, der rasant wachsenden Pflegekosten, der öffentlichen Haushalte (inklusive Schuldenberge) und der Renditen für die (nationalen) Geldanlagen der Ruheständler.

Das umlagefinanzierte Rentensystem ist im Kern eine gigantische Umverteilungsmaschinerie von Familien hin zu Kinderlosen. In ihm ist das Leistungsprinzip konsequent ins glatte Gegenteil verkehrt worden, so dass die langfristige Selbstzerstörung des Systems nur folgerichtig ist. Wer angesichts dieser Sachlage die überlebensnotwendigen und einschneidenden Korrekturen als Strafaktion gegen Kinderlose diffamiert, betreibt eine gemeinwohlschädigende Besitzstandswahrung oder will das umlagefinanzierte System bewusst an die Wand fahren.

Der Autor arbeitet für das Heidelberger Büro für Familienfragen und soziale Sicherheit . Foto: privat

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