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Meinung: Die späte Wende beim Mauergedenken

Die Landespolitik hat sich lange nicht für die Erinnerung an die Teilung interessiert Von Helmut Trotnow

Der Worte sind genug gewechselt. Lasst Taten folgen. Seit der Öffnung der Berliner Mauer vor 15 Jahren wird über den Umgang mit diesem „historischen Monstrum“ diskutiert – vor allem am 13. August und am 9. November. Die Ergebnisse dieser Debatte haben jedoch bis heute niemanden befriedigt. Die Menschen fühlen sich allein gelassen bei der Aufgabe, die historische Erinnerung an die Teilung der Stadt, der deutschen Nation und vor allem an die Opfer dieser Teilung zu bewältigen. Warum?

An den Ideen kann es nicht gelegen haben, denn die gab es von Anfang an zuhauf. Vertreter der Museen, der Geschichtswissenschaft oder der Kunst haben interessante Ideen vorgelegt. Am Geld hat es auch nicht gelegen. Als Verantwortlicher auf Seiten des Deutschen Historischen Museum für das Projekt Bernauer Straße kann ich bestätigen, dass die Bundesregierung unter Helmut Kohl nach der deutschen Einigung mehrfach Finanzmittel für die Errichtung einer Gedenkstätte bereit gestellt hat. Die Berliner Landespolitik blieb untätig und ließ die Mittel verfallen. Die Beschlüsse des damaligen CDUSPD-Senats zwischen 1991 bis 1993 erinnerten an das Hornberger Schießen oder die Devise: Wasch’ mir den Pelz und mach’ mich nicht nass. Die Haltung war höchst ambivalent, um nicht zu sagen scheinheilig. Offiziell nein sagen wollte keiner. Konkret etwas dafür tun aber auch nicht.

Die CDU-Anhänger, die neulich so vehement am ehemaligen Checkpoint Charlie demonstrierten, scheinen vergessen zu haben, dass ihre Partei damals den Regierenden Bürgermeister stellte. Ja, im Bezirk Wedding suchte die CDU im Jahre 1993 sogar mit einer Unterschriftenaktion die Gedenkstätte in der Bernauer Straße zu verhindern. Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg war leider auch nicht gerade konstruktiv.

Das große Engagement der ehemals westlichen Versöhnungsgemeinde darf nicht darüber hinwegtäuschen. Der ehemals östlichen Sophiengemeinde ging es um den Friedhof und sonst nichts. Wo, so haben sich damals schon viele gefragt, könnte man das Andenken an die Opfer der Mauer angemessener bewahren als auf einem Friedhof? Ein Friedhof, der bei der Errichtung der Grenze 1961 brutal vom SED-Regime als bewaffnete Grenzlinie missbraucht wurde.

In diesem Zusammenhang ist auch zu hoffen, dass uns Herr Stolpe endlich erzählt, wie es 1985 wirklich zur Sprengung der Versöhnungskirche gekommen ist. Als damaliger Justiziar der Kirche muss er direkt an den Absprachen mit der DDR-Regierung beteiligt gewesen sein. Ob Kultursenator Flierl diese Hintergründe kennt, sei dahin gestellt. Er sollte jedoch daraus die Erkenntnis ableiten, dass ein gutes Konzept kein ausreichender Grund ist, es auch umzusetzen.

Die Geschichte der Berliner Mauer ist nationales Kulturgut, das nur mit staatlicher Hoheit gepflegt werden sollte. Träger des Dokumentationszentrums ist jedoch ein privater Verein, bestehend aus einer Hand voll engagierter Privatleute. Die finanzielle Grundlage ist keineswegs gesichert. Berlin und der Bund müssen aufeinander zugehen, um gemeinsam einen würdigen Rahmen für die Gedenkstätte Bernauer Straße zu schaffen. Wir sind es unserer historischen Erinnerung, dem Gedenken der Opfer und den trauernden Angehörigen schuldig. Sie dürfen mit ihrer Trauer nicht allein bleiben.

Der Autor ist Historiker und Direktor des Berliner Alliiertenmuseums.

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