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Die SPD-Kanzlerkandidatenfrage: Stolz der Zerschlagenen

Warum eine Urwahl des Kanzlerkandidaten der SPD den Rest geben kann - und was es der Partei im besten Fall einbringt.

Die Anhänger der SPD müssen verrückt geworden sein. Vielleicht sind sie aber auch nur verzweifelt. Einer Umfrage zufolge sagen 91 Prozent der angesprochenen SPD-Wähler, es wäre besser, wenn ihr künftiger Kanzlerkandidat nicht von Parteichef Kurt Beck bestimmt würde, sondern von den Mitgliedern gekürt. Die Wahrscheinlichkeit, dass dadurch alles nur noch schlimmer wird, liegt allerdings auch bei 91 Prozent. Mindestens.

Falls die SPD ganz großes Glück hat, dann wirkt eine Urwahl kathartisch, reinigt mit einem großen Donnerwetter von all dem bösen Gezänk und Gezerre, setzt mit dem Machtwort der Masse einen Schlusspunkt und gibt zugleich das Zeichen zum Angriff. Trara! Aber dann fällt einem Rudolf Scharping ein, 1993 von der Basis zum Parteichef gewählt, relativ jedenfalls, der dann ein Jahr später die Bundestagswahl vergeigte, weil er zwar Stimmen zählen konnte, aber ansonsten nicht klarkam mit Brutto und Netto. Damals war es ein Dreikampf; neben Scharping traten noch an Gerhard Schröder und Heidemarie Wieczorek-Zeul. Wäre die Heidi nicht gewesen, sagten damals manche, dann hätte es der Gerhard gegen den Rudi gemacht. Hätte, wäre, wenn. Drei sind jedenfalls nicht so gut.

Aber was ist, wenn diesmal nur einer antritt – und eine Zweidrittelmehrheit von 66,6 Prozent bekommt? Der kann es dann gleich wieder lassen. Sind es aber zwei, was tun die sich und ihrer Partei dann an bis zur Wahl?

Wen man auch hört in diesen Tagen aus der Führung der SPD, alle appellieren an sich selbst: Man möge doch bitte zur Geschlossenheit finden, einen klaren Kurs bestimmen. Ein Basiswahlkampf wird den beklagten Zustand noch verschlimmern. Kaum vorstellbar, dass Beck sich und seine Partei einer solchen Prozedur unterzieht. Kaum vorstellbar, dass einer seiner Stellvertreter gegen ihn antritt. Es ist ja sinnlos, dass der Sieger daran zu erkennen ist, dass er zwar völlig zerschlagen ist, aber stolz sagt: Ihr solltet erst mal den anderen sehen!

Wie schwer die Verunsicherung ist und wie tief der Graben zwischen Agendareformern und Reformreformern, wird dann auch in aller brutalen Klarheit zu erkennen sein. Und ein paar Monate später wird wieder Solidarität gepredigt?

Vor ein paar Wochen haben sich viele besoffen an der Vorstellung, so schöne Vorwahlkämpfe wie in den USA, besonders wie der bei den Demokraten, gäbe es auch bei uns. Und tatsächlich: Das hat was – vor allem für die Republikaner. Deren Kandidat profitiert von der Schlacht zwischen Clinton und Obama, die sich viel zu lange hinzieht und viel zu fies geführt wird, um aus der schönen demokratischen Theorie einen Vorteil für die Demokraten werden zu lassen. So etwas bei der SPD, und Merkel kann bis zur Wahl Urlaub machen.

Ach ja, Oskar Lafontaine. Der ist zwar nicht mehr in der SPD, aber spukt dort rum. Wenn die SPD Pech hat, wählen die Mitglieder aus Versehen Oskar Lafontaine zum Kanzlerkandidaten. Aber nicht, weil sie verrückt sind. Sondern aus Verzweiflung.

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