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Meinung: Die SPD wittert Gefahr

Mit Denkverboten kann man keine Politik machen. Auch nicht mit Nachdenkverboten.

Mit Denkverboten kann man keine Politik machen. Auch nicht mit Nachdenkverboten. Die CDU steckt in einer Führungskrise, ihre Vorsitzende ist mehr geduldet als unumstritten. Und als potenzielle Kanzlerkandidatin würde sie im direkten Vergleich mit Gerhard Schröder eine vernichtende Niederlage einstecken. Wenn immer mehr Politiker in der Union also nicht bis zum kommenden Januar zur Kanzlerkandidatenfrage schweigen möchten, folgen sie damit einem menschlichen Urreflex. In Zeiten des Zweifels sucht man Signale der Vergewisserung und hält nach Orientierung Ausschau.

Seit Donnerstag gibt es in der Kandidatenfrage, neben Angela Merkel und Edmund Stoiber, einen dritten Namen: Wolfgang Schäuble. Er wäre dumm, wenn er selbst durch vorzeitige Festlegung seine Chancen schmälerte. Warum sollte er jetzt, vor dem Bundesparteitag im Dezember, Ja sagen, wo er doch das Treffen selbst viel besser nutzen könnte, um von anderen triumphal auf den Schild gehoben zu werden? Und warum sollte er, dem man jede politische Führungsaufgabe auf deutscher und europäischer Ebene zutraut, denn zu irgendetwas Nein sagen?

Wenige Wochen nach dem Parteitag der CDU trifft sich die CSU in Wildbad Kreuth. Kreuth war schon immer für Überraschungen gut. Dort spielte Franz-Josef Strauß 1976 mit dem Gedanken, die Fraktionsgemeinschaft der Unionsschwestern im Bundestag aufzulösen. Dort zeigte Edmund Stoiber im Januar 2001 erstmals Bereitschaft, als Kanzlerkandidat anzutreten. Und dort wird er auch im Januar 2002 sagen müssen, wie seine Lebensplanung aussieht.

Viel spricht dafür, dass er sich angenehmere Dinge vorstellen könnte als einen Wahlkampf gegen den SPD-Kanzler. Nicht, dass es ihm an Streitlust mangelte und er sich der Aufgabe in Berlin nicht gewachsen fühlte. Aber warum soll sich ein erfolgreicher bayerischer Ministerpräsident in ein chancenloses Rennen stürzen, nur um die Wahlaussichten der CDU und deren Hinterbänkler zu verbessern? Mit ihm als Kanzlerkandidaten schnitte die Union aber besser ab als mit Frau Merkel als Frontfrau - da sind sich die Demoskopen einig. Dass sich Christdemokrat Schäuble dieser Strapaze unterwirft, scheint da schon logischer. Seine Aussichten sind nördlich des Mains auch besser als die des bayerischen Ministerpräsidenten.

Es gibt Indizien dafür, dass die SPD ahnt, welche Gefahr sich da für ihre Wahlaussichten im Herbst 2002 abzeichnet. Der Vorsitzende des Parteispenden-Untersuchungsausschusses, der SPD-Mann Volker Neumann, tut so, als sei Schäuble auch nach der Einstellung des Ermittlungsverfahrens weiter ein Belasteter - und damit ein nicht vorzeigbarer Mann. Genauso ins Bild passen die Äußerungen des (ebenfalls sozialdemokratischen) Berliner Generalstaatsanwaltes Hansjürgen Karge. Da schwangen angeblich bleibende Zweifel deutlicher mit als die nüchterne Erkenntnis, dass er eben keine Beweise für eine Schuld Schäubles oder Frau Baumeisters finden konnte.

Gerd Appenzeller

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