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Meinung: Die Strategie der Union: Nur laut, nicht stark

Edmund Stoiber hat Renate Künast eine Agrarpolitik nach NS-Vorbild vorgeworfen. Jürgen Trittin hat den CDU-Generalsekretär Meyer als Skinhead bezeichnet.

Edmund Stoiber hat Renate Künast eine Agrarpolitik nach NS-Vorbild vorgeworfen. Jürgen Trittin hat den CDU-Generalsekretär Meyer als Skinhead bezeichnet. Soll so künftig Wahlkampf gemacht werden? Im Interesse der Regierung liegen derlei kalkulierte Entgleisungen jedenfalls nicht. Für den Kanzler ist es am besten, wenn er in sachlich-souveräner Pose regiert - von oben herab lächelnd. Und für die Opposition? Braucht nicht zumindest sie Schmutz und Getöse, um überhaupt noch wahrgenommen zu werden?

Diese Frage werfen Edmund Stoibers Attacken auf. Wollen CDU und CSU mit Provokation und Konfrontation gegen den zur Zeit stärksten deutschen Politiker antreten, gegen Schröder? Wahr ist, dass alle Politiker gerade nach den aufgeregten letzten Tagen wieder die Rückkehr zum sachlichen Streit fordern, dass sie dazu auffordern, Argumente sprechen zu lassen. Und doch stimmt es auch, dass die Aufmerksamkeit nur schon im Plenum des Bundestages schlagartig nachlässt, wenn zum Beispiel die Union ihre Überlegungen zur Sicherung der Rente oder zur Senkung von Steuern vorträgt. Alternativen sind allgemein erwünscht, sie sollen nur bitte mundgerecht und eisgekühlt serviert werden. Das höchste Interesse dagegen erfährt ein Scheitern, so oder so, das der Koalition oder der Opposition.

Die von Stoiber vorangetriebene Konfrontation soll die Union kenntlicher machen. Aber sie weist auch auf etwas anderes deutlich hin: Es ist noch nicht sehr lange her, dass sie 16 Jahre regiert hat. Alles, was die Opposition gegenwärtig vehement kritisiert, wird an dem gemessen, was sie selbst in der Regierung erreicht hat. Besserwisserei rentiert sich nicht, sie schreckt die Wähler nur ab.

Die Union will sich zwar kraftvoll mit Rot-Grün auseinandersetzen. Doch für die ganz große Härte fehlt die Zuversicht, im Recht zu sein. Sie beklatschen Stoiber eher, um sich selbst Mut zu machen. Dezibel sind keine Prozente. Die Spendenaffäre und ihre Folgen haben die Union wundgerieben, und die letzten missglückten Kampagnen haben sie ihre Maßstäbe überprüfen lassen. Laurenz Meyer hat es zu spüren bekommen. Sein Spielraum für Attacken ist aus zwei Gründen begrenzt: wegen der relativen Nähe zur eigenen Regierungszeit, und wegen des neuen Gespürs für Grenzen.

Mit Inhalten seien Wahlen nicht zu gewinnen, hat Meyer gesagt. Das ist ein Irrtum, ein folgenreicher, wenn er sich durchsetzt. Nicht einmal Schröders Wahlerfolg vor zweieinhalb Jahren bestätigt diese These; die Person allein hat noch keine vierzig Prozent gebracht. Auch ein Blick auf vergangene Wahlkämpfe lehrt das: Helmut Schmidt hätte keinen Regierungswechsel ertragen müssen - bei damals mehr als siebzig Prozent Zustimmung zu seiner Person - wenn die Wähler mit der Politik seiner Koalition zufrieden gewesen wären.

Nach dem "Zukunftsprogramm" nach der Wahl hat sich die CDU 1999 ein Oppositionsprogramm gegeben: Wir wollen nicht alles anders machen - aber wir wollen uns ändern. Den vergessenen Dialog mit dem Menschen wollte die Post-Kohl-Union wieder beginnen, die Debatte mit Sachkongressen pflegen, sich öffnen und zugleich besinnen, zum Beispiel auf den Wert einer Politik auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes, wie richtungweisend Heiner Geißler formulierte. In seiner Zeit wurde übrigens zur Schonung der Umwelt Plastik vom Parteitag verbannt. Solche leisen Signale kamen auch an.

Es gibt eine ganze Reihe von lohnenden Themen: der genetisch entzifferte Mensch, die Familie, die Bildung, die soziale Sicherheit, das wachsende Europa, das neue Selbstbewusstsein der Verbraucher, Zuwanderung - fast überall fehlt Orientierung im Ganzen oder auch nur ein Hinweis darauf, wo die Union im Einzelnen Änderungen für richtig hält.

Jetzt ist darum wieder von Debattenkultur die Rede. Tatsächlich ist für die Union nicht vorrangig, Regierungserklärungen abzugeben. Vielmehr müssen die an ihrer Spitze erläutern, warum und wofür die Union regieren möchte. Das zu erklären, gelingt nicht mit knalligen Plakaten oder drastischen Reden, sondern mit nachvollziehbarer, einprägsamer Argumentation. Kraft-Meyerei zeigt Schwäche. Und schwach, das will Edmund Stoiber doch nicht sein.

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