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Die Wirtschaftslage: Aufwärts vom Tal der Tränen

Eigentlich ist es ein kleines Wunder, dass die Deutschen nicht längst geschlossen in psychiatrischer Behandlung sind. Pleiten, Kurzarbeit, Rezession, Entlassungen – mit derlei Begriffen wurden die Bürger seit Beginn der tiefen Konjunkturkrise geradezu bombardiert.

Kein Szenario schien zu radikal, keine Metapher zu düster, um den historischen Absturz der Wirtschaft zu beschreiben. Jetzt soll plötzlich alles vorbei sein: Die Bundesbank, eine der angesehensten Institutionen überhaupt, hält das Ende der Krise für gekommen. Zwischen Juli und Ende September könne es wieder ein wenig Wachstum geben, glauben die Währungshüter.

Doch es wäre zu früh, nun den nächsten Aufschwung zu bejubeln – nur weil eine Konjunkturprognose einmal nach oben korrigiert wird, statt wie sonst immer nur nach unten. Angesichts der historischen Finanzkrise sind die Zeiten unsicher wie nie. Seit 15 Monaten schrumpft die Wirtschaft, sinkt der Wohlstand der Deutschen. Nur mühsam kämpfen sich die drei Millionen Unternehmen aus dem tiefen Loch heraus, in das sie gefallen sind. Die Industrie produziert endlich wieder mehr, verzeichnet neue Aufträge aus dem In- und Ausland, und der für Deutschland so wichtige Außenhandel kommt zaghaft in Schwung.

Doch es wird vor allem deshalb besser, weil es schlimmer nicht mehr werden kann. Immerhin scheint die Gefahr gebannt, dass die Welt als Folge der wilden Finanzzockerei in eine neue große Depression wie in den dreißiger Jahren stürzt. Das ist aber schon alles. Es wird Geduld nötig sein, bis die heiteren Aufschwungzeiten von einst wiederkehren. Boomjahre wie 2007, in denen Arbeitslosigkeit ein aussterbendes Phänomen zu sein und ein ausgeglichener Staatshaushalt erreichbar schien, entstammen aus heutiger Sicht einem anderen Zeitalter.

Und das Risiko bleibt groß, wieder in den Minusbereich zu rutschen. Neben den guten Nachrichten wird es in den kommenden Monaten eine Reihe wirklich schlechter geben. Bislang kaschierte der massenhafte Einsatz von Kurzarbeit, dass es für Hunderttausende derzeit keine Beschäftigung gibt – ein Drittel der Maschinen in den Betrieben liegt brach. Eine Entlassungswelle im Herbst ist wahrscheinlich, womöglich fehlen bald wieder fünf Millionen Arbeitsplätze hierzulande. Die Belebung, von der die Bundesbank nun spricht, dürfte kaum ausreichen, damit alle wieder gut zu tun haben. Und noch in jeder Erholungsphase ging es auf dem Jobmarkt nur mit Verzögerung aufwärts.

Obendrein ist der Finanzsektor noch längst nicht wieder im grünen Bereich, trotz vereinzelt ordentlicher Gewinne. Im Gegenteil, viele Banken könnten im Herbst ins Trudeln geraten, wenn noch mehr Betriebe Insolvenz anmelden. Die Kreditklemme, die faktisch schon da ist, würde dann noch verstärkt.

Und die Politik? Sie ist angesichts der desaströsen Haushaltslage bald am Ende ihrer Möglichkeiten. Und selbst ein weiteres Konjunkturprogramm könnte die Lage bei Siemens, SAP oder Bayer nicht entscheidend bessern. Zudem werden die Volksvertreter frühestens in vier Monaten wieder mit der Arbeit beginnen, wenn der Wahlkampf ausgestanden und die neue Regierung arbeitsfähig ist. Dass sie als Erstes Wohltaten und Steuersenkungen für die Bürger beschließen wird, ist so wahrscheinlich wie Schnee im Juli. Eher dürften eine höhere Mehrwertsteuer, gekürzte Subventionen und Sozialleistungen auf die Deutschen zukommen – trotz aller himmelblauen Wahlversprechen.

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