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Dienstjubiläum: Was Wowereit zur Chefsache macht

Zehn Jahre ist Klaus Wowereit im Amt. Für die rot-rote Koalition gilt heute das Gleiche wie damals für die schwarz-rote: Es ist aus, aus und vorbei. Am Ende der Ära Rot-Rot steht allerdings kein großer Skandal, sondern nur eine Wahl.

Kaum Beifall, kein Jubel – die erste Wahl Klaus Wowereits zum Regierenden Bürgermeister vor genau zehn Jahren war eher eine verdruckste Angelegenheit. Ein paar Wochen zuvor hatten noch etliche Sozialdemokraten jeden für verrückt erklärt, der über eine Zusammenarbeit von SPD und PDS ausgerechnet in der Mauerstadt Berlin spekulierte; jetzt stürzten sie gemeinsam mit den Sozialisten Eberhard Diepgen, dann wählten sie gemeinsam mit ihnen Klaus Wowereit, ein bisschen verschämt, ein bisschen erschrocken, vor allem ungewiss, wie es weitergeht. Ach ja, die Grünen waren auch dabei – und ebenso wenig begeistert.

Der rot-grüne Minderheitssenat, toleriert von der PDS, hatte nach dem Sturz Diepgens nur ein wesentliches Ziel: Neuwahlen einzuleiten, um den politischen Coup von den Wählern legitimieren zu lassen. Ein paar Monate später waren die Grünen wieder draußen (und mit ihnen der grandiose Wolfgang Wieland), die Sozialisten im Senat (und mit ihnen der glamouröse Gregor Gysi), die Christdemokraten vergessen (und mit ihnen der gescheiterte Kandidat Frank Steffel). Sechzehn Jahre Eberhard Diepgen, mehr als zehn Jahre schwarz-rote Koalition – es war endgültig aus und vorbei.

Heute, wiederum zehn Jahre später, ist es abermals soweit, gilt für die rot-rote Koalition das Gleiche wie damals für die schwarz-rote: Es ist aus, aus und vorbei. Der zehnte Jahrestag von Wowereits Machtübernahme markiert den Übergang nach Monaten, wenn nicht Jahren der Agonie fast auf den Tag genau: Die Sozialdemokraten legen ein Wirtschaftsprogramm vor, das den Wirtschaftssenator und Spitzenkandidaten der Linken düpiert; die Linken erklären ihre Beteiligung an einem Volksbegehren zur Ganztagsförderung von Grundschulkindern, das sich gegen die Senatspolitik richtet. Wären die Koalitionsparteien von ihrer angestrengten Handlungslosigkeit nicht so erschöpft, sie müssten sich noch vor der Wahl trennen – eine vorgezogene Erleichterung für die ganze Stadt.

Am Ende der Ära Diepgen stand die Bankenaffäre, aber diese war nur der Anlass, nicht der tiefere Grund für den Bruch der Koalition. Der SPD war die Rolle als kleiner Regierungspartner nicht gut bekommen. So entschieden sich Wowereit und der SPD-Vorsitzende Peter Strieder für das damals Ungeheuerliche: entgegen aller Versicherungen gemeinsame Sache zu machen mit den politischen Erben der SED. Den politischen Mut, den das erforderte, die kompromisslose Zielstrebigkeit, die atemberaubende Chuzpe – das alles macht einen Politiker aus. Aber das alles hätte man sich später von ihm auch noch öfter gewünscht, in der praktischen Politik, beim Werben um Investoren, beim Beseitigen von Missständen, bei der Besetzung von Schlüsselpositionen, in der Stadtplanung, bei der Integration und vielem mehr. Immerhin reichte die Kraft, das anzugehen, wovor man sich zuvor jahrelang drückte: die Haushaltssanierung. Das wird als großes Verdienst bleiben, auch wenn Wowereit das Ziel, das er in seiner ersten Regierungserklärung nannte – ab 2009 keine neuen Schulden – weit verfehlte.

Am Ende der Ära Rot-Rot steht kein großer Skandal, sondern nur eine Wahl. Kaum Beifall, kein Jubel. Ziellos und beliebig schleppt sich der Senat dem Ende entgegen, an seiner Spitze Klaus Wowereit, der mal dieses zur Chefsache machte, mal jenes, und am Ende wieder: sich selbst. Es war nicht alles schlecht, es war nicht alles gut so. Aber es kann ja noch was werden. Auch für Wowereit.

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