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Meinung: Duisenbergs Rücktritt: Die Politik umarmt die Euro-Bank

Es gab Zeiten, da war der Glaube an die Geldpolitik in Deutschland unerschütterlich. Bundesbankpräsidenten wie Otmar Emminger oder Karl Otto Pöhl standen zwar nicht immer so im Rampenlicht wie die jeweiligen Kanzler.

Es gab Zeiten, da war der Glaube an die Geldpolitik in Deutschland unerschütterlich. Bundesbankpräsidenten wie Otmar Emminger oder Karl Otto Pöhl standen zwar nicht immer so im Rampenlicht wie die jeweiligen Kanzler. Geschichte aber haben auch sie geschrieben - die Geschichte deutscher Stabilitätspolitik. Eine Erfolgsgeschichte. Wird die nun durch den Wechsel an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frage gestellt?

Der politischen Unabhängigkeit, der Unbeirrbarkeit und Verlässlichkeit der deutschen Währungshüter ist es im Prinzip zu verdanken, dass sich in ganz Europa eine Stabilitätskultur entwickeln konnte, die die Einrichtung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion erst ermöglichte. Und folgerichtig wurde auch die EZB nach deutschem Muster aufgebaut. Im festen Vertrauen auf eine verlässliche Kaufkraft. Doch damit enden auch schon die Parallelen zwischen deutschem Vorbild und europäischer Kopie. Europas Geldpolitik entwickelt andere Konturen als die Bundesbank. Europas Währungshüter müssen zwölf Ländern mit ganz unterschiedlichem Wachstumsprofil gerecht werden; sich in einem verflochtenen Polit-Umfeld bewegen. Und: ihre Posten gehören zu den wenigen, aber äußerst begehrten Vorzeigestellen, die in der EU zu vergeben sind.

Wie stark die mächtige Geldbehörde die Politiker in dieser Hinsicht in Versuchung führt, zeigt der zur Schau gestellte Kuhhandel um die Berufung des EZB-Präsidenten - vor vier Jahren und heute. Nach der Devise: Kommt die Währungsbehörde nach Deutschland, stellt Frankreich aber den Chef, haben die prestigebewussten Franzosen von Anfang an darauf gedrängt, dass ein Kandidat aus den eigenen Reihen an die Spitze rückt. Weil das auf Anhieb nicht glückte, der Niederländer Wim Duisenberg zum Zuge kam, drängten die Franzosen auf eine kurze Amtszeit. Selbst die Verstrickungen des Pariser Notenbankchefs und Wunschkandidaten Jean-Claude Trichet in den Bank-Skandal Crédit Lyonnais haben Frankreichs Regierung nicht davon abhalten können, ihren Mann als Nachfolger lautstark in Stellung zu bringen. Irritationen an den Devisenmärkten wurden leichtfertig in Kauf genommen.

Dass Duisenberg nun tatsächlich vorzeitig abtritt und ganz freiwillig zu seinem 68. Geburtstag den Stab weiterreichen will, mag ein Zeichen von Klugheit und Diplomatie sein. In jedem Falle beendet es die Spekulationen. Der fade Beigeschmack aber bleibt, dass in Europa im Zweifel nicht der Fähigste, sondern derjenige mit dem richtigen Pass den Zuschlag erhält. Zwar ist die Nachfolge noch nicht verbindlich geregelt. Doch die Option kann den Franzosen offenbar niemand mehr streitig machen.

Die offen ausgetragenen Ränkespiele sind nicht nur fatal für das Vertrauen in den Euro. Die Frage stellt sich auch, inwieweit die Person Trichet für das Präsidentenamt überhaupt geeignet ist. Wie kann er die Politik der EZB in der Öffentlichkeit gut verkaufen, wenn er durch Gerichtsverfahren gehandicapt ist? Aber selbst ein anderer Kandidat aus Frankreich bereitet manchem Unbehagen. Die Vorstellung ist weit verbreitet, dass eine EZB unter französischem Zepter womöglich ihre Prinzipien über Bord wirft und sich politischer Einflussnahme öffnet. Fest steht: Der neue Präsident allein hat das nicht in der Hand. Entschieden wird immer noch im Team. Und mehr Sensibilität für die Konjunkturnöte könnten die Währungshüter - auftragsgemäß - auch heute schon entwickeln. Ohne institutionalisierte Verzahnung von Geld- und Konjunkturpolitik und - ohne ihren Stabilitätsauftrag zu vernachlässigen. Eben glaubwürdig.

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