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Editorial: Zeche, Zocker, Zahlen

Versicherungen vs. Banken: Die Euro-Krise verschärft einen Interessengegensatz. Die Versicherungen brauchen langfristige Sicherheit, die Geldhäuser wollen investieren und spekulieren.

Nein, Heißsporne sind die Chefs der deutschen Versicherungskonzerne nicht. Im Gegenteil: Bei der Wahl ihrer Worte sind sie meist genauso vorsichtig wie bei der Wahl ihrer Geldanlagen. Wer auf zehn, zwanzig oder dreißig Jahre im Voraus planen muss, will Märkte und Kunden nicht verschrecken.

Doch die höfliche Zurückhaltung hat einen Riss bekommen. Der Vorstandsvorsitzende der Munich Re, Nikolaus von Bomhard, fordert die Zerschlagung der Großbanken. Der Mann ist nicht irgendwer, sondern Chef der größten Rückversicherung der Welt. Gut 200 Milliarden Euro hat die Munich Re weltweit angelegt. Und noch ein weiterer Großer hat sich zu Wort gemeldet. Auch Michael Diekmann, Chef des größten europäischen Versicherungskonzerns Allianz, sieht die Banken kritisch. Zerschlagen will er sie zwar nicht. Aber auch Diekmann scheint dem Bankensektor und dem von Deutsche-Bank-Chef Anshu Jain versprochenen „Kulturwandel“ hin zu mehr Anstand im Geschäftsgebaren nicht zu trauen.

Kein Wunder: Die größte deutsche Bank ist von Gewinneinbrüchen im Investmentbanking gebeutelt und steht zudem unter dem Verdacht, bei Zinsmanipulationen mitgemischt zu haben. Schön, dass die Banken den Kulturwandel von sich aus ansprechen, ätzte Diekmann am Freitag. Mehr nicht. Aber das reicht, um Distanz zu zeigen.

Zwischen Banken und Versicherungen liegen Welten. Während die Geldhäuser kurzfristig investieren und spekulieren, sind die Versicherer auf Sicherheit aus. Sie legen das Geld ihrer Kunden langfristig an und risikoarm. Das ist nötig, um die Garantien zu erfüllen, die sie den Kunden geben. Wenn eine Lebensversicherung nach zwanzig Jahren abläuft, muss das Geld da sein, um dem Sparer die ihm versprochenen Überschüsse auszuzahlen. Und auch wer jahrzehntelang einen Teil seines Gehalts in eine Betriebsrente gesteckt hat, hat einen Anspruch darauf, später im Alter ein auskömmliches Zubrot zur gesetzlichen Rente zu bekommen.

Doch das wird zunehmend schwieriger. Die Euro-Krise verschlingt Milliarden und bringt die Finanzmärkte durcheinander. Während die Südländer hohe Zinsen für ihre Schuldenaufnahme zahlen müssen, werfen sichere Staatsanleihen so gut wie keine Rendite mehr ab. Für die Versicherer ist das eine Katastrophe. Sie schreiben ihren Kunden von Jahr zu Jahr weniger Überschüsse gut. 3,9 Prozent sind es derzeit noch im Schnitt, 2002 waren es noch sechs Prozent Zinsen. Auch auf Betriebsrentner kommen magere Zeiten zu. Experten warnen: Hält die Euro-Krise an, könnte die Rendite später auf das Niveau der Inflationsrate sinken. Das ist bitter.

Schuld daran sind auch die Banken. Mit Fehlspekulationen haben einige der großen Adressen horrende Schulden aufgebaut. Diese müssen von den Staaten gedeckt werden, will man die Pleite der Großen verhindern. Die Zeche zahlen die Kleinen: Sparer, Versicherungskunden, Betriebsrentner. Gut, dass sie mit Deutschlands Versicherungselite zumindest einige Verbündete haben.

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