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Meinung: Ein Hauch von Mittelalter

Polizeiexperten wollen in Ausnahmefällen foltern dürfen

Von Gerhard Mauz

RECHTSWEGE

Der Vorsitzende des Richterbundes, Mackenroth, ein zwei Meter hoch gewachsener Mann, hat sich relativieren müssen. Polizeiliche Folter sei unter bestimmten Bedingungen „vorstellbar“, hatte er erklärt. Es gebe keine Polizeifolter, und die dürfe es auch nicht geben, so schlägt es nun auf ihn ein. Rechtsexperten warnen vor einem Rückfall ins Mittelalter.

Der Vizechef der Frankfurter Polizei Wolfgang Daschner, hat sich im „Spiegel“ über seine Entscheidung geäußert, den mutmaßlichen Entführer Magnus G. durch Gewaltandrohung zu einer Aussage zu zwingen. Dies sei geschehen, „um das Leben des Jungen zu retten“. Daschner wehrt sich gegen den Vorwurf Aussageerpressung, dies sei ein "Ausnahmefall" gewesen, in dem es keine Zeit zu verlieren gab: Es gibt, was jeder weiß, „Dinge, die körperlich sehr weh tun. Ausdrücklich von mir untersagt worden war die Zufügung von Verletzungen und die Benutzung von Hilfsmitteln. Vor der Anwendung von Gewalt hätte ich nach Beratung mit dem Polizeiarzt und Sportübungsleitern festgelegt, was gemacht werden kann. Wenn Sie beispielsweise das Handgelenk überdehnen, tut es irgendwann mal weh. Da tritt noch keine Verletzung ein. Druckstellen am Ohrläppchen tun weh, irgendwann tut es so weh, dass man seine Aussage macht. Das war grob ins Auge gefasst. Aber es war ja nicht nötig. Nachdem Magnus G. Schmerzen angedroht worden waren, hat es nur etwa zehn Minuten gedauert, bis er den Aufenthaltsort des Kindes genannt hat."

Daschner sagt, er habe klargestellt, dass diese Maßnahmen nur ergriffen werden dürften, wenn es keine anderen Möglichkeiten gäbe, Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen zu verhindern. Daschner wird entgegengehalten, seine Entscheidung könnte brutale Verhörmethoden oder Folter hoffähig machen. Gegen Daschners Argument, die Gewaltanwendung würde im „Rahmen der Verhältnismäßigkeit“ stattfinden, wird vorgebracht, dies sei naiv. Ein staatlicher Eingriff in die Menschenwürde sei niemals verhältnismäßig. Der Abgeordnete der Grünen HansChristian Ströbele: „Wenn man das Fenster auch nur einen kleinen Spalt öffnet, wird die kalte Luft des Mittelalters die ganzen Räume erfüllen.“

Der Autor schreibt für den „Spiegel“ und war lange Gerichtsreporter. Foto: Dirk Reinartz

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