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Meinung: Ein Hauch von Neuanfang

Von Anja Kühne

An Herrn Fiedler, den Grundschullehrer, erinnern sich seine heute längst erwachsenen Schüler besonders gern. Daran, wie Herr Fiedler die Klasse zu sich nach Hause einlud, um ihr sein Aquarium zu erklären. Daran, wie er schwache Schüler auf der Maultrommel vorspielen ließ, damit sie ein Erfolgserlebnis hatten. Und daran, wie manche feuchte Augen bekamen, als er sich von der Schule verabschiedete – denn Herr Fiedler, wenn auch elastisch und mitreißend, war alt und ging in Pension.

In ihrer neuen Lehrerstudie zollt auch die OECD den vielen alten Lehrern Tribut, die in den kommenden Jahren ausscheiden: „Viel Kompetenz und Erfahrung“ werde die Schule damit verlieren, schreiben die Experten – und heben gleichzeitig die Chancen hervor, die es birgt, wenn bald viele junge Lehrer mit „frischen Ideen“ in die Schulen strömen.

Etwas Altes geht zu Ende, etwas Neues beginnt. Das ist der Tenor des OECD-Lehrerreports. Einen weiteren Bildungsskandal, eine Abrechnung mit vermeintlich verknöcherten unwilligen Lehrern gibt es nicht. Das Papier ist eine unaufgeregte und ausgewogene Diagnose der Schwächen und Stärken des deutschen Lehrersystems. Wie bitte, der Stärken? Ja, es ist wahr. Nur eine Woche, nachdem die OECD mit ihrer Studie „Bildung auf einen Blick“ die deutsche Öffentlichkeit erneut in Hysterie über die vermeintliche Reformunfähigkeit des Schulwesens versetzt hat, sind nun auch andere Töne zu hören. Schon jetzt ist nicht alles schlecht. Und die Experten schreiben, sie hätten das Gefühl, eine „fruchtbare“, „historisch neue“ Phase zu erleben, der Schulalltag beginne sich bereits zu wandeln.

Hoffentlich wandelt sich jetzt auch der Ton der Debatte. Seit dem Pisa-Schock müssen die Lehrer unter Dauerkritik arbeiten – auch wenn die Pädagogen an vielen Mängeln gar nicht persönlich schuld sind. Der neue Report würdigt ihre Anstrengungen. Das macht den Lehrern den Mut, den sie jetzt brauchen. Denn in Zukunft sollen sie ihre Klassenzimmer öffnen und ihre Leistung überprüfen lassen. Dazu ringt sich aber nur durch, wer Vertrauen in das Augenmaß seiner Kritiker hat. Die Öffentlichkeit erwartet von den Lehrern viel – zu Recht. Die Lehrer dürfen aber auch etwas erwarten: Rückenwind für ihre schwierige Arbeit. Dass sie unsere Achtung verdienen, weiß eigentlich jeder. Denn jeder kennt aus seiner Schulzeit mindestens einen Herrn Fiedler.

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