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Die Mauer des Gedenkens an die gefallenen Ukrainer.

© picture alliance/dpa/PA Wire/Aaron Chown

Wie das Leiden der Ukraine verringern?: Es braucht eine Zeitenwende über Deutschland hinaus

Russland muss durch einheitliches, gemeinsames Vorgehen finanziell wie politisch weiter isoliert werden. Es ist Zeit für eine Art „Europa-Doktrin“.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Ein Jahr! 365 schwere, harte, grausame Tage. So lange gibt es ihn nun schon, den Angriffs-, ach was: Vernichtungskrieg Russlands gegen die Ukraine. Mit jedem Tag mehr wächst die Verantwortung der Staaten, die Regierung in Kiew im Kampf ums Überleben und um die Souveränität ihres Landes zu unterstützen.

Es ist wie eine europäische Katharsis. Nicht zuletzt für Deutschland. Die deutsche Politik hat sich ja selbst anschauen und sich eingestehen müssen, dass sie falsch gehandelt hat. Über Jahre, seit der Besetzung der Krim durch Ras Putins Russland.

Der EU kann vor dem Hintergrund eine wertegeleitete Außenpolitik – die nach Vorstellung der Außenministerin deutsches Markenzeichen werden soll – deshalb auch nicht schaden. Das stärkt sie und den Europarat nur. Autokraten unter den Europäern dürfen Erweiterung und Handlungsfähigkeit nicht blockieren.

Russlands Beispiel lehrt: Der Wunsch darf im Blick auf autoritäre Regierungen niemals Vater des bloß hoffnungsvollen Gedankens sein. So war es aber bei Wladimir Putin, von dem wir Deutschen nahezu inständig lange hofften, dass er doch noch der von 2001 sei, der im Bundestag „in der Sprache Kants“ sprach. Nur: Von Vernunft ist keine Spur mehr. Stattdessen ein imperialer Machtanspruch als kategorischer Imperativ.

Gutgläubig war es, am Hoffen auf das Bessere festzuhalten. Wandel durch Handel – trotz Krim-Annexion, Krieg in der Ukraine, Hackerangriffen auf demokratische Institutionen, Einflussnahme auf europäische und amerikanische Wahlen,politischer Morde. Die weitergebaute Ostseepipeline Nord Stream 2 wurde vom Signal zum Menetekel.

Darum: gesamteuropäisch gemeinschaftlich, entlang gemeinsamer Werte – hieraus eine Art „Europa-Doktrin“ zu machen, ist die deutsche, ist namentlich Annalena Baerbocks Chance. Die Ampel-Koalition muss sie dazu aber unbedingt schnell substanziell Vorschläge machen lassen – im Interesse des Zusammenhalts nach innen wie nach außen.

Mehr und schneller helfen – auch politisch

Ein Jahr danach und Russlands Brutalität nimmt immer noch zu. Es wird eine große Zeitenwende über Deutschland hinaus nötig, um das Leiden der Ukraine zu verringern. Umso wichtiger ist es, sie noch weiter, noch mehr, noch schneller zu stärken: humanitär, finanziell, militärisch – und politisch.

Dazu braucht es dann einen schnellen Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine. Da kann die geläuterte Bundesregierung eine gute Mentorin sein. Zumal sie zugleich mit Frankreich, um den Motor wieder ans Laufen zu bringen, Vorstöße à la Macron zur Reform der EU machen muss.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat recht, und hier ist er sich mit Baerbock wohl einmal völlig einig: nicht allein. Russland muss durch einheitliches, gemeinsames Vorgehen finanziell wie politisch weiter isoliert werden. Und zwar bis hinein in den Weltsicherheitsrat.

Das alles lehrt das Jahr nach Russlands Angriff. Und darin findet sich der Auftrag, ein Jahr vor den Europawahlen.

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