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Meinung: Ein Königreich für Charles

Warum es gut ist, dass der Prinz trotz aller Zumutungen weiter der Monarchie dient

Von Andreas Oswald

Warum tut er sich das an? Gerade schien das britische Königshaus mit dem Goldenen Thronjubiläum sein Ansehen wiedergewonnen zu haben, da kommen alte Geschichten wieder hoch. Schmutzige Geschichten. Prinz Charles, der nachdenkliche, grüblerische und ruhige Thronfolger sieht den Palast mit Enthüllungen konfrontiert, in denen es um Vergewaltigung geht, um Vertuschung sowie um Gerüchte, ein hohes Mitglied der Familie sei bei homosexuellem Verkehr beobachtet worden. Und über allem liegt der Schatten Dianas, deren Butler jetzt auspackt, weil er von den Feinden Dianas gekränkt wurde. Das ist die späte Rache Dianas, die belastendes Material gesammelt hatte, um im Ehekrieg mit Charles ein Pfand in der Hand zu haben. Nun brechen alte Kriege wieder auf, Diana-Lager gegen Charles-Lager, Diana-Lager gegen Spencer-Lager (ihre feindlich gesonnene Familie), Spencer gegen Windsor, Charles-Berater gegen Queen-Berater.

Warum streift Charles die dunklen Schatten nicht endlich ab? Verzichtet auf die Thronfolge, die sich ohnehin noch Jahrzehnte hinziehen wird? Und heiratet endlich die eine Frau, die er immer geliebt hat? Es melden sich, wie immer nach Enthüllungen, Stimmen, die die Abschaffung der Monarchie fordern. Zu überholt sei sie, zu heruntergekommen, zu abgehoben von der modernen Gesellschaft, und: zu unmenschlich für die Mitglieder der Königsfamilie. Eine vor allen Kameras weinende Queen – das hatte es nie gegeben.

Doch es gibt einen Grund, warum Charles weitermacht. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass das Königshaus gerade deshalb weiterlebt, weil es sich von der übrigen Gesellschaft abhebt. Weil es alte, überholte Rituale pflegt, sich mit hohen Palastmauern abschottet, hinter denen sich Verborgenes und Verbotenes abspielt, weil es einer Inszenierung folgt, die die Gesellschaft immer wieder in hohem Maße erregt und zugleich soweit entrückt ist, dass es hohe symbolische Autorität ausstrahlt.

Es war diese symbolische Autorität, die den Engländern all die Jahrhunderte hindurch die Sicherheit und Selbstvergewisserung gab, die es möglich machte, ohne Revolutionen, ohne Verfassungen, ohne eherne Prinzipien und ohne Diktaturen zu leben, sich unbekümmert dem Wandel und der Zukunft zu öffnen und dabei ganz selbstverständlich eine der liberalsten, modernsten und offensten Gesellschaften zu werden. Charles, die Queen, sie alle werden dafür bezahlt, dass sie ihre Rolle so und nicht anders weiterspielen. Würde sich die Königsfamilie der Gesellschaft anpassen, würde sie sich überflüssig machen. Das wäre die wahre Gefahr für die Monarchie. So sind es ausgerechnet die Monarchie-Gegner, die mit dem Anprangern des Königshauses als entrücktes Symbol nichts anderes tun, als seine Legitimation zu begründen.

Aber auch die Monarchie-Befürworter erweisen der Krone nicht immer einen Dienst. So forderte einmal ein konservativer Abgeordneter in seiner Torheit, das Königshaus solle alle Homosexuellen entlassen. Die Antwort gab die Königinmutter, und die Antwort war trocken: Wenn sie alle Homosexuellen entlassen würde, müsste die Königsfamilie zum Self-Service übergehen.

Das wäre zwar noch nicht die Abschaffung der Monarchie. Aber ein erster Schritt.

Und die Skandale? Die gehörten schon immer dazu. Nur, dass sie zum Leidwesen vieler Intellektueller nicht mehr Shakespearscher Dramaturgie folgen, sondern der moderner Seifenopern. Das schmerzt. Auch Charles. Aber er weiß, es hat auch einen Vorteil: Es wird nicht mehr so viel geköpft.

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