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Meinung: Ein populäres und ein wahres Wort Warum Horst Köhlers Rede zu Irak Union und SPD aufschreckt

Horst Köhler ist bestimmt kein Anti-Amerikaner. Aber der Mann hat lange genug in Washington gelebt, obendrein als deutscher Direktor eines Weltwährungsfonds, der bis dahin eine reine US-geführte Institution ohne eine Idee von Entwicklungspolitik war.

Von Robert Birnbaum

Horst Köhler ist bestimmt kein Anti-Amerikaner. Aber der Mann hat lange genug in Washington gelebt, obendrein als deutscher Direktor eines Weltwährungsfonds, der bis dahin eine reine US-geführte Institution ohne eine Idee von Entwicklungspolitik war. Köhler also hat genug Zeit gehabt, mit der speziellen Arroganz der westlichen Vormacht so seine Erfahrungen zu machen. Weil er zudem ein Mann des klaren Wortes ist, hat er um den Sachverhalt nicht herumgeredet: Ja, es steckte viel von der Arroganz der vorerst letzten Supermacht darin, dass die US-Regierung ihre Armee in den Krieg gegen den Irak marschieren ließ, ohne sich allzu viel vorher den Kopf darüber zu zerbrechen, wie es hinterher weitergehen sollte.

Darf man das als Bundespräsidentenkandidat der Opposition sagen? Darf man, auch wenn die Wortwahl recht deftig ist. Dass Köhlers Anmerkungen in einer internen Runde trotzdem aufmerken lassen, liegt daran, dass der Kandidat der Union an einen wunden Punkt bei denen rührt, die ihn wählen wollen. CDU und CSU haben vor dem Irakkrieg eine durchaus schlüssige, aber schwierig zu vermittelnde Haltung eingenommen. In der Populärfassung ist davon nur hängen geblieben: Die fanden den Krieg im Grunde richtig. Die SPD hat seinerzeit aus Wahlkampfmotiven eine sehr simple Anti- Kriegs-Position bezogen. Angesichts der enormen Schwierigkeiten der Besatzungstruppen an Euphrat und Tigris ist davon in der Populärfassung heute übrig geblieben: Die hatten mit ihren Warnungen ja wohl doch Recht.

In dieser allzu einfachen, aber verbreiteten Wahrnehmung steckt für die SPD eine Verlockung und für die Union eine Gefahr. Die Verlockung ist leicht erkennbar: Im Wahlkampfjahr 2004 stellen SPD und Grüne die Konkurrenz noch einmal als Kriegstreiber und außenpolitische Abenteurer hin. Das mag zumindest helfen, die vom Reformieren entnervten eigenen Leute hinter dem Ofen hervor und an die Urne zu bewegen.

Die Verlockung ist um so größer, als CDU und CSU bisher so recht keine Antwort parat haben. Dies liegt nun aber auch daran, dass Angela Merkel und Edmund Stoiber vor zwei Jahren genau das nicht laut gesagt haben, was Köhler jetzt ausspricht: Dass nämlich – jenseits aller plausiblen politischen Erwägungen – in der Kriegslust des George Bush und des Tony Blair ein kräftiges Stück Sendungsbewusstsein und in den konkreten Kriegsplänen ein doch sehr simpler Optimismus steckte, mit einem militärischen Sieg sei die Sache erledigt. Die Spitze der Union hat diese – in den eigenen Reihen sehr wohl verbreitete – Skepsis nie artikuliert. Dahinter verbarg sich die vielleicht richtige Erkenntnis, dass ihre Haltung dann endgültig nur noch für geschulte Außenpolitiker verständlich gewesen wäre. Trotzdem war es ein Versäumnis, das sich jetzt rächt. Köhlers Position, zumal wenn er sie in beherzten Worten vorträgt, wirkt wie ein Abweichen von der Parteilinie. Nimmt man dazu ungelenke Versuche von Unionspolitikern, sich selbst nachträglich als Opfer von Falschinformationen über Saddam Husseins angebliche Waffen darzustellen, droht das in einer populären Wahrnehmung etwa der Art zu enden: Auf einmal wollen sie von ihrer alten Haltung nichts mehr wissen.

Dabei ist diese alte Haltung heute eher sogar richtiger, als sie es damals war. Die Motive und Mittel der USA und Großbritanniens mögen in vielem falsch und fragwürdig gewesen sein – sich jetzt hämisch zurückzulehnen und dem Scheitern der Verbündeten zuzuschauen, ist keine Antwort. Irak ist auch unser Problem. Der Kandidat Köhler hat das übrigens ebenfalls deutlich ausgesprochen. Das mag unpopulär sein. Aber Recht hat er doch.

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