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Meinung: Ein sonntäglicher Rauch

„Was für ein schöner Sonntag“ vom 19. März Gaucks kurze Rede – nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten – war gezeichnet von Historie, Pathos und wohlgesetzten Worten zu Demokratie und Freiheit.

„Was für ein schöner Sonntag“

vom 19. März

Gaucks kurze Rede – nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten – war gezeichnet von Historie, Pathos und wohlgesetzten Worten zu Demokratie und Freiheit. Nach seinen Erfahrungen der Unfreiheit in der DDR basiert sein Freiheitsbegriff überwiegend auch auf diesen Erlebnissen, was bei der Ansprache deutlich wurde. Nur, der Begriff „Freiheit“ wird mehr von der Zeitepoche geprägt, als zum Beispiel der Begriff der Demokratie und sollte sich nicht an Vergangenem ausrichten. Individuelle Freiheiten haben, je nach sozialer Herkunft und sozialem Status, erheblich zugenommen.

Tradierte Strukturen brechen auf und neoliberale Denkschemata mit „weniger Staat“ geistern in den politischen Zielvorstellungen herum. Dadurch wird das Verhältnis zwischen Individuum und Staat, also der Gesellschaft schwammig. Gleichzeitig fördert dies neue individuelle Freiheiten.

Um uns aber dem Begriff „Freiheit“ richtig anzunähern, sollte der Bundespräsident seinen Fokus auf den Begriff „Gesellschaft“ richten und die Frage beantworten: „ In welcher Gesellschaft wollen wir leben und wie kommen wir dieser Idealvorstellung möglichst nahe?“ Wenn Gauck hier zwischen Individuum und Gesellschaft einen zeitgemäßen Grundkonsens schafft oder zumindest Denkanstöße gibt und dabei die Schwächeren in der Gesellschaft nicht vergisst, kann er wirklich ein Bürgerpräsident werden.

Dr. Hans-Dieter Seul,

Berlin-Lichterfelde

„Quel beau dimanche“, im 1980 französisch geschriebenen Original, so lautet der sarkastische Titel eines in (West-) Deutschland 1981 erschienenen autobiografischen Romans von Jorge Semprún, dem einstigen Mitglied der französischen Résistance und späteren spanischen Kulturminister in der Regierung González, über seine Häftlingszeit im KZ Buchenwald von 1944 bis 1945. „Der Rauch aus dem Krematorium ist mattgrau. Sie haben im Krematorium wohl nicht viel zu tun, wenn sie nur einen so dünnen Rauch erzeugen. Oder die Toten verbrennen gut. Die ausgetrockneten Toten, die Leichen der Kumpel wie Weinranken ... Ein freundschaftlicher Rauch, ein sonntäglicher Rauch, gewiß.“ – Was war das wohl für ein schöner Sonntag.

Eine bereits inhaltlich so eindeutig belegte Formulierung für einen Tag, an dem etwas weniger als sonst gemordet wurde, auf ein persönliches Glücksgefühl – und sei es das der ersten freien Wahl – zu übertragen, ist entweder ahnungs- oder gedankenlos, peinlich allemal. Möge der Bundespräsident in seiner weiteren Amtszeit durch seine Redenschreiber vor ähnlichen Fehlgriffen bewahrt werden.

Dass mehrere Montagszeitungen, auch der „Tagesspiegel“ diesen Ausruf als Aufmacher verwendeten, machte das Ärgernis vollkommen.

Norbert Kaczmarek,

Berlin-Lichtenrade

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