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Ein SPRUCH: Fernseher und Kühlschrank

Fünf Quadratmeter sind es bloß, doch die bringen die Justizministerien mehrerer Bundesländer in Aufruhr. 20 Quadratmeter Wohnraum plus Nasszelle und Küchenzeile stünden jedem Sicherungsverwahrten zu, entschied das Oberlandesgericht Naumburg.

Von Fatina Keilani

Fünf Quadratmeter sind es bloß, doch die bringen die Justizministerien mehrerer Bundesländer in Aufruhr. 20 Quadratmeter Wohnraum plus Nasszelle und Küchenzeile stünden jedem Sicherungsverwahrten zu, entschied das Oberlandesgericht Naumburg. Die Länder hatten sich auf 15 Quadratmeter geeinigt; einige sind schon dabei, entsprechende Neubauten zu errichten und fragen sich, was aus denen nun wird. Das Land Sachsen-Anhalt will aufgrund des Urteils sogar einen Vertrag mit Sachsen und Thüringen kündigen, wonach die Sicherungsverwahrten aller drei Bundesländer in Sachsen-Anhalt untergebracht werden. Die bisherige Anlage in Burg sei jetzt zu klein, für einen Neubau für alle drei Länder fehle das Geld. Doch wie verbindlich ist eigentlich der Naumburger Beschluss? Müssen wirklich „Luxuszellen für Schwerverbrecher“ her, wie die Boulevardpresse meldet?

Der Kläger von Naumburg verfolgte eigentlich ein anderes Ziel: Bei seinem Umzug nach Burg wollte er den Flachbildfernseher aus seiner alten Zelle mitnehmen. Mehr verlangte er nicht. Die Richter nahmen die Gelegenheit wahr und regelten nebenher gleich einmal die Haftbedingungen. Und genau dieses „nebenher“ ist es, das jetzt für Unsicherheit sorgt.

Wenn ein Obergericht zu einer Frage entscheidet, die so vorher noch nicht entschieden wurde, dann sind andere Gerichte daran gebunden. Im Falle abweichender Meinungen wäre der Bundesgerichtshof anzurufen. Das gilt aber nur, wenn das auch die streitgegenständliche Frage war. Im Naumburger Fall ging es aber um den Fernseher; die Sache mit den 20 Quadratmetern war bloß eine allgemeine Rechtsbemerkung, ein „obiter dictum“. Unter Juristen sind obiter dicta eher unbeliebt. Zur Sache tragen sie nichts bei, stattdessen stiften sie allgemeine Verwirrung.

Die Boulevardpresse zeigte gleich Grafiken, wie das neue Heim jedes der 500 deutschen Sicherungsverwahrten künftig aussehen könnte – eine Einzimmerwohnung auf Steuerzahlers Kosten. Was dabei gerne vergessen wird: Die Männer – meist werden sie eher als Bestien oder Monster gesehen – haben ihre Strafe abgesessen und wären eigentlich freizulassen. Einzig um die Allgemeinheit vor ihnen zu schützen, werden sie weggesperrt. Mitleid braucht man vielleicht nicht gleich zu haben, aber rechtlich gesehen erbringen die Männer damit ein Sonderopfer, denn ihnen stünde die Freiheit zu.

Das Bundesverfassungsgericht hat es erst im Mai entschieden: Der Sicherungsverwahrte muss deutlich mehr Freiheit haben als der Strafgefangene, es muss ein Gesamtkonzept aus Angeboten für Therapie und Beschäftigung, Freizeit und Sozialkontakte geben. Eine bestimmte Raumgröße allein macht es also ohnehin nicht. Und selbst wenn 20 Quadratmeter nötig sein sollten – für ein solches Leben ist auch das nicht übermäßig viel.

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