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Meinung: Ein Staat ist geboren

Von Caroline Fetscher

Die Welt hat einen neuen Staat: Montenegro. Winzig klein ist er, vergleichbar mit Zypern oder Malta. Aber auf den Beinen waren sie am Sonntag allemal, die Bürgerinnen und Bürger zwischen der Adriaküste und den Schwarzen Bergen im wiedererwachenden Touristenparadies des Balkans. Mehr als 86 Prozent wollten mitstimmen, als es um die Abstimmung zum Staatenbund mit Serbien ging. Ja zur Unabhängigkeit heißt das Votum der Mehrheit. Möglich, dass man in Brüssel gehofft hatte, die gesetzte Hürde von über 55 Prozent „Ja“ für das Projekt könne als Bremse wirken. Doch nun feiern die Montenegriner ihre Unabhängigkeit. Bei den UN in New York kommt ein neuer Sessel in die Vollversammlung.

Slobodan Milosevic, der angetreten war, um mit Massenmorden ein „Großserbien“ zu erstreiten, ist tot – sein irrwitziges Unterfangen ebenfalls. Von Beginn an scholl der serbischen Megalomanie der Ruf entgegen: „Let my people go!“ Er richtet sich stets auf zweierlei – Überleben und Autonomie. Serbien wollte dominieren, und sie gingen: Slowenen, Kroaten, Mazedonier, Bosnier. Jetzt hat sich ein weiterer Teil losgelöst – der vorletzte. In Wien wird seit Wochen über noch ein Stück Ex-Jugoslawien verhandelt, die nominell noch südserbische Provinz Kosovo, de facto von Serbien getrennt, verwaltet von den UN und sukzessive auf dem Weg zur Eigenstaatlichkeit. Sogar hartgesottene Nationalisten in Serbien haben sich, zumindest im Stillen, damit abgefunden, dass an der Realität kein Weg vorbei führt. Wo zu viel Unrecht geschah, folgt irgendwann Abschied.

An Stabilität kann die Region nur gewinnen, wenn die ungelösten Grenzfragen des Kosovos endlich geklärt werden. Bei alledem geht es am Ende ja um weitaus mehr als die Glücksgefühle einer tanzenden Menge wie in Montenegro in der Nacht zum Montag. Dass es um eine europäische Perspektive geht, um eine zivile und zivilisierte Zukunft, um wirtschaftliche und wissenschaftliche Kooperation im Sinne der kommenden Generationen, das ist im Grunde auch den helleren Köpfen in Belgrad klar. Erst ein künftiger „Schengen-Balkan“ wird mehr Chancen für alle Nachbarn bieten, und das geschieht nur dort, wo kein alter Groll die Tore zur Vernunft versperrt. Montenegro, dessen Regierungschef sich vor Jahren schon bei den kroatischen Nachbarn für Kriegsschäden entschuldigt und dafür bezahlt hat, liefert ein gutes Beispiel.

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