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Griechenland führt die europäischen Partner an der Nase herum, sagt unsere Redakteurin Ursula Weidenfeld.

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Ein Zwischenruf: Griechenland führt Europa an der Nase herum

Griechenland jetzt weiter entgegenzukommen, heißt auf lange Sicht nicht nur, den Euro aufzugeben. Wie sollen andere Länder Reformen durchsetzten, während Athen die europäischen Partner an der Nase herumführt? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ursula Weidenfeld

In den vergangenen Tagen haben die internationalen Gläubiger den Griechen ein letztes Angebot gemacht: Setzt die Regierung von Alexis Tsipras ein umfangreiches Reformprogramm um, wird die ausstehende Rate aus dem laufenden Hilfspaket ausgezahlt, und die Verhandlungen um ein drittes Paket können beginnen. Tsipras hat dieses Angebot abgelehnt. Damit gibt es keine Basis mehr für die internationalen Hilfen. Doch hinter den Kulissen wird verzweifelt weiter versucht, Griechenland im Euroraum zu halten. Auch die Bundeskanzlerin signalisiert weiteres Entgegenkommen. Das ist ein Fehler.

Sie werden an der Nase herumgeführt

Ein letztes Angebot, das doch nur ein vorletztes, oder ein vorvorletztes Angebot ist, beeindruckt die griechische Regierung kein bisschen, im Gegenteil: Es gibt ihr die Gelegenheit, die Regie für die Gespräche wieder an sich zu ziehen. Nicht die Eurozone macht jetzt ein Angebot, die Griechen sagen, was sie erwarten. Spätestens jetzt müssen sich die Geldgeber entscheiden. Wenn sie es zulassen, weiter an der Nase herumgeführt zu werden, gerät die Eurozone insgesamt in Gefahr. Sich von Griechenland die Bedingungen für weitere Rettungsschritte diktieren zu lassen, heißt, auch in anderen Ländern jegliche Autorität zu verlieren. Wie soll Frankreichs Präsident François Hollande zu Reformen auf dem Arbeitsmarkt und im Sozialsystem motiviert werden, wenn im Süden Europas ein Land all das verweigert und dafür belohnt wird? Warum sollte Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi seinem Land weitere Einschnitte im Sozialsystem zumuten?

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin. Sie war unter anderem Chefredakteurin von "impulse".
Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin. Sie war unter anderem Chefredakteurin von "impulse".

© Mike Wolff

Griechenland jetzt weiter entgegenzukommen, heißt auf lange Sicht nicht nur, den Euro aufzugeben. Auch Europa insgesamt gerät in schweres Fahrwasser: Der Internationale Währungsfonds wird künftig einen weiten Bogen um den Kontinent machen, wenn der reichste Teil der Welt seine Verpflichtungen gegenüber viel ärmeren Ländern nicht erfüllt. In Großbritannien wird das Verhalten der Euroverhandler ebenfalls argwöhnisch verfolgt: Die Gemeinschaftswährung gilt den Engländern schon lange als Beweis dafür, dass Europa nicht funktioniert. Wenn Griechenland sich nun mit seiner Haltung durchsetzt, triumphieren auch die Europa- Gegner in England – und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass England nach dem Referendum aus der EU ausscheiden könnte.

Das letzte Angebot der Eurogruppe an die Griechen? Es war das letzte Aufgebot.

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