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Ein Zwischenruf zur…: …Integration

Barbara John erklärt, warum der gruppenspezifische Blick auf Einwander nützlich und nicht diskriminierend ist.

Als kürzlich in einer neuen Studie türkischstämmige Einwanderer im Vergleich zu anderen als am schlechtesten integriert herausgestellt wurden, schwappte die Empörungswelle hoch bei türkischen Interessenvertretern wie bei Migrationsexperten. Dabei wurden nicht die Fakten angezweifelt: etwa die hohe Arbeitslosigkeit, das geringe Bildungsniveau, die kulturelle Isolation. Was die Interessenvertreter aus der Fassung brachte, war das genaue Hinsehen, der analytische Blick auf abgrenzbare Gruppen von Einwanderern statt auf Migranten allgemein, wie es bisher üblich war.

Diese Betrachtungsweise ist jedoch die einzig sinnvolle, um herauszufinden, wer welche Unterstützung bei der Eingliederung am dringendsten braucht. Deswegen muss sie auch weiterentwickelt werden, wenn es uns ernst ist, das weitere Abgleiten gefährdeter Gruppen ins soziale und wirtschaftliche Aus zu stoppen beziehungsweise umzukehren. Mit einer Denunziation der türkischen Einwanderer, wie hier und da behauptet wird, hat der gruppenspezifische Blick, die Differenzierung, rein gar nichts zu tun. Im Gegenteil: Es ist ja gerade nicht die nationale Herkunft, die einen Einwanderer automatisch ins Abseits stellt. Wie ließe sich sonst die große Gruppe der integrationsstarken Türkischstämmigen erklären? Um Risikogruppen überhaupt zu erkennen, dient die national-geographische Abstammung als Suchmethode, keineswegs als Festlegung.

Wer schmerzliche Realitäten benennt, will sie nicht anprangern, sondern verhüten, damit die Zustände sich bessern. Wer dagegen Probleme verdrängt, der überlässt die Deutung jenen, die persönliche Schuld zuweisen, statt Ursachen auszumachen. Und die Ursachen liegen auf der Hand: Wer zu dörflichen Milieus gehörte, die seit Jahrhunderten geprägt waren von Unterordnung und Anpassung an tief verwurzelte Traditionen, der entwurzelt kulturell und wirtschaftlich, wenn er in die Moderne verpflanzt wird. Dann gibt über lange Zeit allein das Überlieferte Halt und Sicherheit. Diese Einwanderer sind nicht integrationsunwillig; sie sind hilflos. Sie ziehen sich zurück, verharren teilnahmslos, weil sie sich den Widersprüchen und den Anforderungen unserer Gesellschaft nicht gewachsen fühlen.

Ändern wird sich nur etwas, wenn künftig Eingliederungsprogramme auf gefährdete Gruppen passgenau zugeschnitten werden. Das kann nur vor Ort, also direkt in den Kitas, Schulen und Wohnvierteln geschehen.

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