zum Hauptinhalt

Meinung: Eine Prüfung durch die Natur Von Christoph von Marschall

Ist das der Schlüssel zu der verbreiteten Religiosität in den USA, die vielen Europäern übertrieben vorkommt? Seit drei Tagen nimmt ganz Amerika Anteil am Schicksal der Gebiete, die der Hurrikan „Katrina“ heimgesucht hat.

Ist das der Schlüssel zu der verbreiteten Religiosität in den USA, die vielen Europäern übertrieben vorkommt? Seit drei Tagen nimmt ganz Amerika Anteil am Schicksal der Gebiete, die der Hurrikan „Katrina“ heimgesucht hat. Überall, ob im Fernsehen, den Zeitungen oder den Gesprächen der Nachbarn, ist eine tiefe Demut gegenüber den Naturgewalten herauszuhören. Ja, die Nation feiert ihre Helden, die kaum glaublichen Überlebensgeschichten und die Helfer. Und sie weint mit den Frauen oder Männern, die unter Tränen erzählen, wie lange sie sich bemüht haben, die Hand des Partners oder Kindes in den reißenden Fluten festzuhalten, und dann doch loslassen mussten – und ihre Lieben nicht wiedergesehen haben. Oder mit jenen, die ihr Haus und allen Besitz verloren haben und nun nicht wissen, wie weiter.

Aber kaum einer scheint hier den Glauben zu haben, solche Katastrophen ließen sich vermeiden, wenn man nur richtig mit der Natur umgehe und die richtigen Vorkehrungen treffe. Es ist auch kaum Kritik an Präsident Bushs Klimapolitik zu hören. Nur auf die Sünden einer zu sorglosen Nutzung von Gebieten, die früher dem Hochwasserschutz vorbehalten waren, wird verwiesen.

Bei der Beschreibung der Schäden allerdings greifen die Medien ohne Scheu zu Vergleichen, die manchen Europäer schlucken lassen: wie nach dem Tsunami oder wie Hiroshima und Nagasaki nach den Atombomben oder wie in Bürgerkriegsgebieten. Ist das angemessen? Es wird hoffentlich nicht hunderttausende Tote geben. Auf „Katrina“ konnte man sich vorbereiten und durch Flucht zumindest das Leben retten. Das Ausmaß der Zerstörungen freilich erinnert in der Tat an die Bilder aus Asien. Für die Amerikaner bedeuten solche Vergleiche: Die Natur ist mächtiger noch als der Mensch und die von ihm gemachten Kriegskatastrophen. Uns bleibt nichts anderes, als die Heimsuchung hinzunehmen und uns unverdrossen an den Wiederaufbau zu machen. Aus dieser Demut schöpft die Nation, so paradox es klingt, ihren Glauben, dass sie eine wahre Weltmacht ist.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false