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Meinung: Einer gegen 27

Von Claudia von Salzen

Zwischen der EU und Russland ist wohl endgültig Ernüchterung eingekehrt. Dennoch – oder gerade deshalb – wird der Gipfel von Samara für das europäisch-russische Verhältnis nicht folgenlos bleiben: Moskau ist mit dem Versuch gescheitert, Europa in alte und neue Mitglieder auseinanderzudividieren. Russland muss in Zukunft damit rechnen, dass sich 27 Staaten getroffen fühlen, wenn es mit einem einzelnen in Konflikt gerät. Putins Strategie, nur bilateral zu verhandeln, hat damit ausgedient.

Der Druck, den Russland auf Polen und die baltischen Staaten ausübt, hat Putin außenpolitisch erstmals geschadet. Allerdings ist es für Putins Mannschaft im Kreml von großer Bedeutung, sich im Wahlkampf als Vorkämpfer des neuen nationalen Selbstbewusstseins zu präsentieren – mit scharfen Tönen gegen diejenigen, die sich von Moskau abgewandt haben. In der EU rechnet daher niemand damit, dass sich das Verhältnis zu Russland schnell bessert. Auch für die Europäer war der Gipfel eine wichtige Lektion: Statt etwa Polen Blockadepolitik vorzuwerfen, haben sich die EU-Staaten geschlossen hinter Warschau und andere Länder gestellt, die mit Moskau im Streit liegen.

Wenn die EU es schafft, diese Geschlossenheit auch in weitere Gespräche mit Russland zu retten, ist sie in einer besseren Verhandlungsposition als früher. Zugleich müssen die Europäer lernen, die Beziehungen zu Russland realistischer zu sehen: Die Zusammenarbeit wird weitergehen – schon weil beide Partner aufeinander angewiesen sind. Die Europäer werden jedoch nicht umhinkommen, Differenzen so klar zu benennen, wie Merkel das etwa beim Thema Menschenrechte in Samara getan hat. Eine „Annäherung durch Verflechtung“, wie etwa vom Auswärtigen Amt erträumt, scheint dagegen in absehbarer Zeit nicht realisierbar. Ein wenig Ernüchterung tut hier ganz gut.

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