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Meinung: Einsam in Washington

China versäumt es, sich als konstruktiver Partner fürs Welt-Management zu empfehlen

Ein Jahr lang hatten Diplomaten das Gipfeltreffen der beiden mächtigsten Männer der Welt vorbereitet. Das Ergebnis des 90-minütigen Gesprächs zwischen Chinas Staatschef Hu Jintao und US-Präsident George W. Bush war jedoch ernüchternd. Trotz der Vielzahl an wirtschaftlichen und politischen Problemen gelang den beiden Staatsführern keine Annäherung, geschweige denn ein Durchbruch. Für die beiden Großmächte war es ein verschenkter Gipfel – mit Folgen für die Weltpolitik.

Bush und Hu hätten einiges zu klären gehabt. Mit 202 Milliarden Dollar stieg das US-Handelsdefizit mit China im vergangenen Jahr auf ein neues Rekordhoch. Fälschungen und Markenpiraterie nehmen in der Volksrepublik immer größere Ausmaße an. Pekings Zensurgesetze machen US-Internetfirmen zu Handlangern bei der Verfolgung von Dissidenten. Auch außenpolitisch sind sich die alte und die neue Großmacht selten einig. Während man in Washington auf ein schärferes Vorgehen gegen Iran, Nordkorea und Sudan drängt, nutzt Peking seine Position im UN-Sicherheitsrat, Sanktionen gegen diese problematischen Regime zu verhindern.

Chinas Führer denken in der Außenpolitik in erster Linie an ihre boomende Wirtschaft, die sie mit Energie versorgen müssen. Ein Genozid wie in Darfur oder Atomdrohungen aus Teheran sind für Peking nachrangig, solange diese Regime Öl in die Volksrepublik liefern können. Trotz der öffentlichen Bekundungen, die chinesische Währung aufzuwerten und den Schutz der Urheberrechte zu verbessern, hat Peking auch wenig Interesse, die derzeitige Handelssituation grundlegend zu verändern. Solange westliche Großunternehmen Milliardenbeträge in der Volksrepublik investieren und die Welt nach billigen „Made in China“-Produkten verlangt, kann Peking die Bedingungen diktieren. Dass chinesische Unternehmen westliches Know-how stehlen, um den technologischen Anschluss zu schaffen, ist dabei einkalkuliert.

Dementsprechend gering war Pekings Bereitschaft, in Washington Zugeständnisse zu machen. Stattdessen setzte man auf politische Kosmetik: Um die Kritiker im Kongress zu besänftigen, die wegen des ungleichen Handels Strafzölle gegen chinesische Waren fordern, reiste Hu mit einem Scheckheft durch die USA. Bei Boeing kaufte er 80 Flugzeuge und polierte nebenbei die Handelsbilanz etwas auf. Der Computer-Hersteller Lenovo schloss einen Vertrag mit Microsoft zum Kauf von Originalsoftware, um von den Raubkopierern in China abzulenken. Im Vorfeld des Gipfels äußerte sich Pekings Führung, die wegen der mangelnden Religionsfreiheit in der Kritik steht, auch ungewöhnlich versöhnlich zum Dalai Lama und dem Vatikan. Wenn es um die Einparteienherrschaft der KP und die Kontrolle durch den Polizeistaat geht, bewegen sich Pekings Führer jedoch keinen Millimeter. Deutlich wurde das bei dem Zwischenfall während Hus Besuch im Weißen Haus, als eine als Reporterin getarnte Falun-Gong-Anhängerin gegen die Verfolgung ihrer Bewegung in der Volksrepublik protestierte. Sofort schalteten die Zensoren in China die Übertragung ab.

Die staatlichen Zeitungen durften den Vorfall am nächsten Tag mit keinem Wort erwähnen. Ein souveräner Umgang mit Kritik sieht anders aus. Doch für Peking diente dieser Gipfel auch zur Propaganda in der Heimat. Die Chinesen sahen Hu Jintao auf dem Rasen vor dem Weißen Haus mit Bush, beim Abendessen mit Bill Gates, bei Boeing in Seattle. Offenbar fühlen sich die KP-Führer so schwach, dass sie ihre Legitimation durch solche Termine untermauern müssen.

Hu Jintao wollte in den USA für die These vom „friedlichen Aufstieg“ Chinas werben. Peking will die Welt davon überzeugen, dass die rasante Entwicklung der 1,3 Milliarden Chinesen wirtschaftlich und militärisch keine Gefahr für den Westen darstellt. Nach dem ergebnislosen Gipfel wird das Misstrauen gegenüber der neuen Großmacht jedoch wachsen. Im US-Kongress werden die Rufe nach Strafzöllen lauter werden. Im Weißen Haus wird man sich überlegen, die Interessen der USA bei internationalen Krisen in Zukunft auch ohne Peking durchzusetzen. Von einer strategischen Partnerschaft, wie man sie sich einmal vorgestellt hat, sind die beiden Großmächte weit entfernt. Künftig werden sie sich eher als Konkurrenten begegnen.

Harald Maass

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