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Barbara John war von 1981 bis 2003 Ausländerbeauftragte des Berliner Senats.

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Ein Zwischenruf zur …: …Glaubwürdigkeit

Was hat die österreichische Stadt Graz mit dem Kanzlerkandidaten der SPD, Peer Steinbrück, zu tun? Nun, dort wurde gerade vorgeführt, wie ein rares Gut in der Politik zu gewinnen ist: Vertrauen.

Was hat die österreichische Stadt Graz mit dem Kanzlerkandidaten der SPD, Peer Steinbrück, zu tun? Nun, dort wurde gerade vorgeführt, wie ein rares Gut in der Politik zu gewinnen ist: Vertrauen.

In Graz hat die Kandidatin einer österreichweit marginalen Partei, nämlich der Kommunistischen, vor vier Wochen bei der Kommunalwahl völlig überraschend mit 21,1 Prozent der Stimmen den zweiten Platz nach der christdemokratischen Volkspartei erreicht. Weit abgeschlagen Sozialdemokraten und Grüne. Die Kandidatin Elke Kahr wurde aber nicht wegen, sondern trotz ihrer Parteizugehörigkeit gewählt. Die interessiert ihre Wähler nicht. Ihre Wähler – Arme und Wohlhabende gleichermaßen – sind angetan von ihrer Glaubwürdigkeit. Denn Elke Kahr lebe, was sie sage und politisch fordere. Woran sie das festmachen? Ganz einfach, sie nimmt als Kommunalpolitikerin nicht, was sie kriegt, sondern behält nur das, was sie braucht. Monatlich 1800 Euro. Den größeren Teil ihres Gehalts als Stadträtin zahlt sie in einen Sozialfonds ein.

Manche mögen solche Geste abfällig Suppenküchenpolitik nennen; geht es in der Politik doch nicht darum, den eigenen Mantel mit einem Obdachlosen zu teilen, wie es der legendäre Heilige Martin getan hat. Es geht beispielsweise darum, allen bezahlbaren Wohnraum zu ermöglichen. Auch Steinbrück argumentiert, sein Honorar-Kontostand habe nichts mit seiner Absicht zu tun, Arbeitern einen fairen Lohn verschaffen zu wollen. Im Grundsatz ist das richtig. Warum sollte es keine Millionäre in politischen Ämtern geben?

Doch die Glaubwürdigkeit des SPD-Kandidaten hat dennoch gelitten. Das hat einen tieferen Grund. Was empfinden Menschen, die sich mit zehn Euro Stundenlohn für anstrengende Tätigkeiten abfinden müssen, während ihr Parlamentsvertreter das Zweitausendfache als Honorar bekommt? Sie haben das Gefühl krasser Ungerechtigkeit. Zu Recht, denn der Markt kennt keine Gerechtigkeit. Steinbrück weiß das, deshalb wäre für seine Nebenverdienste eine Spendenpolitik à la Elke Kahr politischer gewesen.

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