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Meinung: Eisbrecher Benedikt

Von Thomas Roser

In glückseelige Euphorie wie sein Vorgänger Karol Wojtyla vermochte Josef Ratzinger die Polen bei seiner Pilgerfahrt in dessen Heimat nicht zu stürzen. Doch auch wenn der deutsche Papst an der Weichsel längst nicht die Popularität seines Vorbilds genießt, empfanden die meisten der tiefgläubigen Katholiken Polens die Visite von Benedikt XVI. als tröstend: Es scheint, als ob mit dem Besuch seines Nachfolgers die Phase der Trauer über den Verlust der nationalen Vaterfigur allmählich seinen Abschluss findet.

Der deutschen Verantwortung für die Verbrechen, die mit dem Namen Auschwitz verbunden sind, hat sich der Papst gestellt, gleichzeitig die befürchtete Vereinnahmung nichtchristlicher Opfer vermieden. Theologische Neuerungen waren von dem „Bewahrer“ Benedikt bei seiner Pilgerreise durch Europas stärkste Katholiken-Bastion hingegen nicht zu erwarten. Sein eher dogmatisches Pochen auf katholische Traditionen war für die meisten der Gläubigen ohnehin eher zweitrangig. Für sie verrichtete der Papst mit seiner Gedenkreise zu Ehren seines Vorgängers vor allem wichtige Trauerarbeit. Und Polens zerstrittenem Klerus las er dabei ordentlich die verdienten Leviten.

Obwohl der Kirchenfürst vor allem Italienisch sprach, leistete er nebenbei einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Verbesserung des schwierigen deutsch-polnischen Verhältnisses. Wohl noch nie in der jüngeren Geschichte sind einem Deutschen so viele Sympathien an der Weichsel entgegengeschlagen wie dem Mann aus Bayern. „Es stört nicht, dass er ein Deutscher ist“, verkündeten die heimischen Medien. Doch auch politisch hat Benedikt möglicherweise entscheidende Breschen ins bilaterale Nachbarschaftseis geschlagen. Für manche der nationalpopulistischen Patrioten in Polens Regierungskoalition, die sich normalerweise gerne mit antideutschen Attacken profilieren, war die Begegnung mit dem Mann aus Markl eine völlig neue Erfahrung. Gelegentlich vermag selbst ein Kniefall die engen Horizonte ein wenig zu weiten. Und offenbar kann ein viertägiger Besuch auch verstockten Seelen zu einem etwas versöhnlicheren Umgang mit lange misstrauisch beäugten Nachbarn verhelfen.

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