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Meinung: Ende der bürgerlichen Wende

Person ohne Programm: Die Österreicher hatten genug vom Kanzler Wolfgang Schüssel

Das Ende war kein Vergleich zum Anfang: Als Wolfgang Schüssel im Februar 2000 mit seiner Mitte-rechts-Regierung zur Vereidigung in die Präsidentschaftskanzlei ging, musste er einen unterirdischen Geheimgang nehmen. Vor der Tür hatten sich nämlich tausende Demonstranten eingefunden, die mit Trillerpfeifen, Eiern und Tomaten auf den Kanzler warteten.

Als Schüssel am Dienstag, sechseinhalb Jahre später, zum Präsidenten kam, um seinen Rücktritt einzureichen, konnte er ungehindert die paar Schritte oberirdisch zurücklegen. Es gab keine Demonstranten, nur ein paar Journalisten, die hämische Fragen stellten. Das war dann das Ende der bürgerlichen Wende, die Schüssel ausgerufen hatte.

6,1 Millionen österreichische Wahlberechtigte hatten am Sonntag Wolfgang Schüssels Experiment ein Ende bereitet. Sie hatten genug von dieser Regierung aus Bürgerlichen und einer skurrilen Rechtsaußen-Truppe, die zuerst FPÖ und dann, nach deren Parteispaltung, BZÖ hieß.

Die SPÖ von Alfred Gusenbauer konnte nur deshalb wieder zur stärksten Kraft im Land aufsteigen, weil Schüssels ÖVP im Vergleich zur Wahl 2002 550 000 Stimmen eingebüßt hat. Gerade einmal 34 Prozent erreichte er, gemeinsam mit seinem Koalitionspartner a.D., dem BZÖ, kam er auf 38 Prozent. Für eine Regierung, die laut ÖVP-Aussage die erfolgreichste aller Zeiten war, war das erschreckend wenig.

Woran lag es? Die ÖVP hatte im Wahlkampf alle Anstrengungen auf die vermeintliche Strahlkraft ihres Frontmannes konzentriert. Der 62-jährige Kanzler war kreuz und quer im Land plakatiert worden, als der einzige österreichische Politiker mit Format zum Kanzler. Was der aber genau machen wollte, wie also das Programm der ÖVP für die nächsten vier Jahre aussehen würde, wurde verschwiegen. Die Partei setzte auf die Angst der Österreicher vor Veränderung. Doch das reichte nicht aus.

Denn so konnte sich die Propaganda der SPÖ, der Kanzler sei eine abgehobene Figur, der kein Herz für die kleinen Leute habe, in den Köpfen der Wähler festsetzen. Und tatsächlich hat Schüssel, der im Land als „Schweigekanzler“ gilt, das Image eines unnahbaren, gefühlskalten Mannes. Dass er im Sommer ein Gartenbuch mit Tipps fürs Eigenheim herausgab, änderte nichts an diesem Bild.

Zudem hatte die ÖVP immer häufiger den Eindruck vermittelt, als betrachte sie das Land als natürliche Erbpacht. Ständig gab es fragwürdige Postenvergaben, Politiker, die in jedem anderen Land schon längst zurückgetreten wären wie der Finanzminister Karl-Heinz Grasser oder die Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer, wurden von Schüssel im Amt gelassen. Er fühlte sich offenbar sehr sicher, dass er auch ein unpopuläres Team zum Sieg führen würde – weil es in seinen Augen keine Alternative zu ihm gab. Man kann das auch als abgehoben bezeichnen.

Markus Huber

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