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Meinung: Energie darf keine Waffe sein

Wir brauchen einen gemeinsamen Strommarkt in Europa Von Matthias Wissmann

Im Jahr 1956 schlossen sich sechs europäische Nationen durch den Vertrag von Rom zur Europäischen Gemeinschaft zusammen und legten damit die Keimzelle für die heutige Europäische Union. Schon damals ging es unter anderem um die gemeinsame Kontrolle des Energieträgers Kohle. Fünfzig Jahre später ist das Thema Energie wieder zu einem Mittelpunkt der EU-Politiken geworden – nicht zuletzt wegen der Diskussion um die Energiepartnerschaft mit Russland. Auf dem Frühjahrsgipfel im März will die deutsche EU-Ratspräsidentschaft einen Energieaktionsplan vorlegen. Energie wird damit erneut zur treibenden Kraft für eine weitergehende europäische Integration. Der Stromausfall, der in fast ganz Westeuropa die Lichter ausgehen ließ, machte uns im zurückliegenden Herbst bewusst, wie eng verzahnt die Stromversorgung innerhalb der EU heute ist und welche Schwachstellen es gibt. Aber auch die Abhängigkeit der EU von Rohstofflieferanten außerhalb Europas wurde uns durch drohende Lieferengpässe beim Erdgas im vergangenen Jahr deutlich vor Augen geführt.

Bestehende Defizite abzubauen wird uns nur mit einer Strategie gelingen: durch Geschlossenheit nach außen und mehr Integration im Inneren.

Wenn die EU nach außen vereint als weltgrößter Wirtschaftsblock mit der Einkaufsmacht von 450 Millionen Verbrauchern auftritt, kann sie sich als globaler Energieakteur positionieren und auf steigende Öl- und Gaspreise, Versorgungsunsicherheit und Versuche von Förderländern reagieren, Energielieferungen als politisch Waffe zu nutzen. Denn nur vereint können wir die Partnerschaft mit wichtigen Lieferanten-, Transit- und Verbraucherländern auf eine solide und verlässliche Basis stellen. Zu Recht will die deutsche Ratspräsidentschaft deshalb auf einen verstärkten Dialog mit den direkten Nachbarländern der EU, aber auch mit Russland ebenso wie mit den Ländern des Mittleren Ostens und Zentralasiens setzen. Nur so erreichen wir die notwendige Diversifizierung und Stabilisierung der Energielieferbeziehungen.

Mehr Integration im Inneren ist verbunden mit der Schaffung eines echten europäischen Elektrizitäts- und Erdgasbinnenmarkts. Derzeit haben wir 25 zum Teil kleinste Einzelmärkte, die sich untereinander politisch wie technisch abschotten. Angesichts der hohen Preise für Strom und Gas ist es aber unabdingbar, dass der Wettbewerb in Europa an Schwung gewinnt. Nur ein einheitlicher und offener Markt, auf dem verschiedene Anbieter ohne Hürden konkurrieren können, bringt Vorteile für die Verbraucher und schafft eine für notwendige Investitionen unerlässliche Basis.

Zunächst einmal muss es deshalb darum gehen, überhaupt erst die technischen Voraussetzungen für einen gemeinsamen Markt zu schaffen. Die Übergangspunkte zwischen den einzelnen nationalen Stromnetzen, die sogenannten Kuppelstellen, müssen ausgebaut werden. Das heißt nicht nur die Leistungsfähigkeit, sondern auch die Anzahl der Kuppelstellen muss vergrößert werden. Auch die Zuleitungskapazitäten zu den Kuppelstellen müssen erhöht werden. Dabei sind nicht nur die Staaten, sondern ganz besonders auch die Energieunternehmen und Netzbetreiber gefordert. Hier tut sich ein weites Feld für zielgerichtetes Public-Private-Partnership auf.

Wenn wir einen einheitlichen Europäischen Energiemarkt wollen, müssen wir auch zunehmenden protektionistischen Tendenzen entschlossen entgegentreten. Die Zeit nationaler Champions im Energiebereich, die jedes Land aus vermeintlichen strategischen Gründen eifersüchtig vor Zugriffen von außen zu schützen versucht, ist vorbei. Die EU braucht europäische Champions, die im internationalen Wettbewerb bestehen können. Die Versuche Spaniens, eine Fusion der deutschen Eon mit Endesa zu verhindern, ist deshalb ebenso ein Irrweg wie die Bestrebungen Frankreichs, seine Gasversorger nach außen abzuschotten.

Was die EU allerdings nicht braucht, ist eine neue supranationale Behörde, die zentral den Markt zu regulieren versucht. Der richtige Weg führt zu einer verstärkten Kooperation und Abstimmungen zwischen den bestehenden nationalen Regulierungsbehörden.

Die EU hat sich selbst das ambitionierte Ziel gesetzt, zum wirtschaftlich dynamischsten Raum der Welt aufzusteigen. Wenn wir im zunehmenden weltweiten Wettbewerb erfolgreich bleiben wollen, braucht es eine verlässliche, günstige, aber auch umweltverträgliche Energieversorgung. Schon längst ist klar, dass kein Mitgliedsland diese Aufgabe allein schultern kann. Nur gemeinsam können wir dies schaffen und gleichzeitig durch Stärkung der europäischen Integration einen echten Mehrwert für die Menschen in Europa schaffen: Energie eint Europa.

Der Autor ist CDU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Europaausschusses.

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