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Energiepolitik: Finger verbrannt

Wie Berlin Vattenfall dabei hilft, einen Klimakiller salonfähig zu machen. Aus so einer Kampagne hätte sich der Senat besser herausgehalten. Lieber sollte er fürs Energiesparen werben. Davon hätten die Leute mehr.

Bei der Stromerzeugung in Kraftwerken entsteht Hitze, die man entweder in die Luft oder ins nächstbeste Gewässer leiten kann, wie es die Energiekonzerne bei ihren Kraftwerken auf dem platten Land tun. Bis zu 60 Prozent der eingesetzten Kohle werden dort zu Thermo-Müll.

Umso erfreulicher ist die in Berlin übliche Alternative der Kraft-Wärme-Kopplung. Bei der KWK werden mit der Abwärme Gebäude geheizt – in Berlin mehr als in jeder anderen westeuropäischen Stadt, weil hier die Energie traditionell knapp (Ost) oder mühsam herbeizuschaffen (West) war. Fernwärme gibt’s in der Platte ebenso wie in den Potsdamer-Platz-Arkaden. Wo sie herkommt, gehen statt 60 nur 10 bis 20 Prozent der Energie verloren. So weit die guten Nachrichten.

Jetzt zu den schlechten, die leider zugleich die aktuelleren sind: Die gestern präsentierte KWK- Werbekampagne enthält die Botschaft, dass KWK toll ist. Womit eine Hälfte der Wahrheit genannt und die andere verschwiegen wird. Letztere lautet: Eine Kilowattstunde Energie aus Erdgas ist nicht einmal halb so klimaschädlich wie eine aus Steinkohle, von Braunkohle zu schweigen. Und: Man kann Energie auch fast klimaneutral gewinnen: in Biomasse- KWK, solar, aus Wind- und Wasserkraft, aus Holzpellets. Die gestrige Aussage von Vattenfall-Vorstand Klaus Pitschke, „es gibt keine schlechte und keine gute KWK“, stimmt so nicht. Kohle- KWK ist schlechte KWK. Was Pitschke vielleicht meinte, aber nicht gesagt hat: Die eingangs beschriebene Thermo-Müll-Variante ist noch schlechter als jede KWK.

Das muss und wird nicht jeden bis ins Detail interessieren – woraus die nächste schlechte Nachricht folgt: Nach dem großen Werbeschub wird bei den Leuten hängen bleiben, dass KWK prima ist. Wird Vattenfall dann vielleicht bekannt geben, dass man sich entschieden habe, das Kraftwerk Klingenberg durch einen Neubau zu ersetzen? Mit KWK, selbstverständlich? Und auf Nachfrage: mit Kohle-KWK. Das würde dann nur noch Insider aufregen, weil der Klimakiller vorher per Kampagne salonfähig gemacht wurde.

So muss es nicht kommen, aber es kann. Vattenfall ist mit 20 Prozent direkt und mit 25 Prozent als Gesellschafter der Berliner Energieagentur an der Kampagne beteiligt. Die ebenfalls involvierte Senatsverwaltung hatte im März zugesagt, dass „auf die CO2-Effekte der Brennstoffe hingewiesen“ werde. Wer den Internetauftritt der Kampagne durchforstet, findet ganz unten tatsächlich einen CO2- Vergleich. Dort stehen Holzpellets zwischen Braun- und Steinkohle auf Platz zwei der Klimasünderliste. Da der Pellet-Rohstoff Holz tatsächlich fast klimaneutral ist, endet hier die Wahrheit. Aus so einer Kampagne hätte sich der Senat besser herausgehalten. Lieber sollte er fürs Energiesparen werben. Davon hätten die Leute mehr.

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