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Meinung: Ernstfall als Rollenspiel

Von Hermann Rudolph Unter den Sandkastenspielchen, mit denen der Wahlkampf begleitet wird, ist dieses wohl das absurdeste. Die SPD und ihr Kanzler können noch so oft erklären, dass sie auf die Hilfe der PDS im Falle eines knappen Wahlausgangs pfeifen – die PDS trägt ihnen unverdrossen ihre Unterstützung an.

Von Hermann Rudolph

Unter den Sandkastenspielchen, mit denen der Wahlkampf begleitet wird, ist dieses wohl das absurdeste. Die SPD und ihr Kanzler können noch so oft erklären, dass sie auf die Hilfe der PDS im Falle eines knappen Wahlausgangs pfeifen – die PDS trägt ihnen unverdrossen ihre Unterstützung an. Es stört sie auch nicht, dass sie damit den Wahlaussichten Schröders schadet und der Union Wahlkampfmunition liefert: Die hinge Schröder zu gerne die Schelle an, dass er eben doch die Hilfe der PDS in Anspruch nähme, falls es im September für Rot-Grün nicht reicht. Überdies stattet die PDS ihr Angebot mit Forderungen aus – Politikwechsel in der Steuer- und vor allem der Außenpolitik –, die es der SPD schlechterdings unmöglich machen, auf das Werben einzugehen. Dabei möchten die Sozialisten doch, wie sie versichern, längerfristig ein Mitte-Links-Bündnis mit der SPD, um endlich eine Wende in der deutschen Politik durchzusetzen.

Aber geht es der PDS wirklich um die Nothilfe im koalitionspolitischen Gau: dass das Wahlergebnis einen Kanzler Stoiber möglich machte, der nur noch von der PDS verhindert werden könnte, indem sie Schröder mitwählt? Das könnten die Wähler – wie die Umfrage-Ergebnisse anzeigen – durchaus hinbekommen. Aber im Moment ist dieser Ernstfall vor allem Spielmaterial. Mit ihm suggeriert die PDS eine Situation, in der sie zum Zünglein an der Waage wird. Das ist der genaue Gegensatz zu der Möglichkeit, dass sie im September gar nicht gefragt wäre: dass die Wähler herzlos genug wären, die PDS derart aus dem Spiel werfen. Nach dem gegenwärtigem Stand der Dinge ist das zumindest ebenso gut vorstellbar.

Oder noch wahrscheinlicher? Tatsächlich steht es um die Wahlaussichten der PDS nicht gut. Nach drei Legislaturperioden ist nicht einmal sicher, dass die SED-Nachfolgepartei den Bundestag erreicht. Nach den Umfragen liegt sie so nahe an der Fünf-Prozent-Grenze, dass sie nicht sicher sein kann, sie zu überwinden, und die neue Wahlkreiseinteilung macht es zweifelhaft, ob sie die drei Direkt-Mandate schafft, die sie in diesem Fall retten würden. Weder die spröde Parteivorsitzende Gabriele Zimmer noch der glatte Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch haben das Zeug, die Partei siegessicher zu machen. Und Medienstar Gregor Gysi, der die PDS bisher populär machte? Der scheint irgendwo in den Mühen des Berliner Regierungsalltags abhanden gekommen zu sein. Den Rest könnte der Lagerwahlkampf besorgen, der sich zwischen Schröder und Stoiber anbahnt. Unter seinem Druck könnte offenbar werden, dass die PDS schwächer ist, als es ihre Stärke glauben macht.

Die besitzt sie ohnedies nur in den neuen Ländern. Aber auch dort hat ihr die Wahl in Sachsen-Anhalt im April ihre Grenzen deutlich gemacht. Obwohl sie dort ihre Position gehalten hat, hat sie ihren politischen Einfluss verloren. Es ist erkennbar geworden, dass sie treue Wähler hat, aber keine strategischen Optionen. Vor allem hat die PDS es nicht geschafft, ihr Wählerpotential über ihre Stammwählerschaft hinaus auszudehnen, nicht in den Westen, aber eben auch nicht im Osten. Da muss man sich auch nicht wundern, wenn die Vorsitzende einer traditionell agnostischen Partei sich freundlich über ihr Verhältnis zur katholischen Kirche äußert. Fischen die Sozialisten neuerdings nicht ohnedies gerne im Gutmenschen-Pfuhl?

Überhaupt muss ja auffallen, dass im Moment niemand von der PDS spricht. Eiserne Wahlkampf-Regel: Man muss sich ins Gerede bringen. Zum Beispiel, indem man fortwährend eine politische Rolle fingiert, die irgendwo tief im Schoß des 22. Septembers vorhanden sein mag. Doch dass sie eintritt, ist doch überaus unwahrscheinlich.

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