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Meinung: Erst sparen, dann investieren

Mit dem Geld aus dem Solidarpakt kann der Osten kaum etwas für die Zukunft tun

Von Matthias Schlegel

Manchmal ist Solidarität in Zahlen zu messen: wenn für Hungernde in Afrika oder für Erdbebenopfer in Asien gespendet wird. Da kann man zur Not die Millionensummen unter Abzug des logistischen Aufwands in Getreidemengen oder Zelte umrechnen. Was wir aber als Solidarpakt im „innerdeutschen“ Verhältnis bezeichnen, hat sich einer objektiven Bewertung längst entzogen. Und das vor allem deshalb, weil kaum jemand durch das komplizierte Zahlengeflecht hindurch zu den tatsächlichen Wirkungen der Milliardentransfers zwischen West und Ost vorzudringen vermag.

Alle Jahre wieder gibt es Aufregung über angeblich verschleuderte Millionenbeträge im Osten Deutschlands – immer um die Jahreswende, wenn das Finanzministerium den Finger auf die Posten legt, hinter denen die Solidarpaktmittel in den neuen Bundesländern verschwunden sind. Das Solidarpakt-Gesetz schreibt vor, dass das Geld mit den sperrigen Namen „Sonderbedarfsergänzungszuweisungen“ und „IfG-Mittel“ vorrangig investiert werden soll – damit es sozusagen als Samen in den kargen ostdeutschen Boden gebracht werde und fürderhin zum Pflänzchen gedeihe, das eines Tages die Frucht des selbsttragenden Wirtschaftsaufschwungs austreibe.

So weit, so gut. Nur: Die ostdeutschen Länder haben lange, zu lange über ihre Verhältnisse gelebt, als sie ein bisschen DDR mit bemerkenswerten sozialen Standards weiterführten und als sie mit üppigen Personalausstattungen den Aufbau Ost zu organisieren versuchten. Und: Sie schleppen noch immer eine ungeliebte Altlast mit sich herum, die mit den Jahren immer schwerer wurde: Durch mehrere höchstrichterliche Urteile mussten und müssen sie für Sonder- und Zusatzrenten ehemaliger DDR-Eliten wesentlich mehr Geld ausgeben, als sie nach der Wende veranschlagt hatten. Der Bund hat sie bei diesen Verpflichtungen trotz vollmundiger Versprechungen bislang nur unzureichend unterstützt.

Deshalb stopfen die Länder mit den Solidarpaktgeldern lieber ihre ganz gegenwärtigen Haushaltslöcher, als die Euros in die Zukunft zu investieren. Das mag man als wenig weitsichtig betrachten. Doch vorausgesetzt, dass die Landesregierungen tatsächlich kräftig sparen, um ihre Haushalte zu konsolidieren, ist dieser Wechsel auf die Zukunft allemal besser als die Sanierung der Straßenanbindung ins verödete Gewerbegebiet.

Wegen der Undiszipliniertheit der Neubundesländer nun am Solidarpakt zu rütteln, wäre ebenso falsch wie der Ruf nach Strafmaßnahmen. Nicht die Ausgabendisziplin sollte kontrolliert, sondern die Einsparphantasie honoriert werden. Natürlich kann die Angleichung der Lebensbedingungen in Ost und West nur gelingen, wenn auch im Osten in den Aufschwung investiert wird. Aber wenn durch immer höhere Zinsbelastungen die finanziellen Spielräume der Länder so eingeengt werden, dass sie nicht mehr handlungsfähig sind, ist niemandem geholfen. Denn es schadet uns allen: Am Ende muss doch wieder der Bund einspringen.

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