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Eine nüchterne Betrachtung ist in der seit Jahren emotional geführten Debatte um die Vorratsdatenspeicherung kaum möglich

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Vorratsdatenspeicherung: Es geht nicht um das Ob, nur um das Wie

Das Gutachten über die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung kann einen Ausweg aus der verfahrenen Situation aufzeichnen. Denn es zeigt die Dimensionen des Eingriffs in die Grundrechte auf, stellt die Legitimation des Ziels aber nicht in Frage.

Gutachten hört sich viel zu harmlos an. Was Generalanwalt Pedro Cruz Villalón da vorgelegt hat, ist eine volle Breitseite gegen die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Zu lange Speicherfristen, zu ungenaue Definitionen, wann Sicherheitsbehörden Zugriff auf die gespeicherten Verbindungsdaten haben – und keine Löschvorgaben. Er spricht von „heimtückischen Zwecken“, die verfolgt und ganzen Profilen, die erstellt werden könnten. Das alles ist Wasser auf die Mühlen der Speicher-Kritiker. Nur: Es ist alles andere als ein Sargnagel für das umstrittene Instrument. Im Gegenteil. Es zementiert die Vorratsdatenspeicherung. Denn die grundsätzlichen Ziele werden nicht infrage gestellt. Es geht nicht um das Ob, nur um das Wie.

Vor allem die Sozialdemokraten dürfen sich dennoch als Etappensieger sehen, entspricht die nun geäußerte Kritik doch ziemlich genau dem, was die SPD als Bedingung für die Einführung der Vorratsdatenspeicherung verlangt. Die Union sieht das Urteil zwar auch als Bestätigung für den eigenen Kurs, aber eine Unionspolitikerin hat jetzt trotzdem ein kleines Problem: Kanzlerin Angela Merkel. Sie legte sich ungewöhnlich deutlich fest, als sie nach einer langen Verhandlungsnacht erklärte, die Vorratsdatenspeicherung werde eines der ersten Gesetze sein, das die neue Regierung verabschiede. Jetzt aber wäre es sinnlos, eine Richtlinie umzusetzen, von der man weiß, dass sie noch mal komplett überarbeitet wird. Das bringt Merkel in Erklärungsnöte.

Kein Gewinnerthema

Für die SPD ist es aber auch nur ein kurzer Moment der Genugtuung, denn die Vorratsdatenspeicherung bleibt alles andere als ein Gewinnerthema. Das bekam jüngst SPD-Chef Sigmar Gabriel zu spüren, als er den Aufruf prominenter Autoren für ein Ende von Massenüberwachung durch Regierungen und Unternehmen unterstützte. Scheinheiligkeit wurde ihm da vorgeworfen, weil er sich gleichzeitig für die Vorratsdatenspeicherung starkmacht. Das zeigt: Der Weg zur Bürgerrechtspartei ist hart und steinig.

Ein Fundament dafür haben die Sozialdemokraten jedoch, da sie in ihrer Geschichte oft bewiesen haben, mutig aufseiten des freiheitlichen Rechtsstaates zu stehen. In der jüngeren Vergangenheit aber fiel die Entscheidung meist eher zugunsten der Sicherheit aus – zu Recht angesichts der Bedrohungslage durch den internationalen Terrorismus. Jetzt aber gibt es nach dem Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag und dem Niedergang der Piraten eine bürgerrechtspolitische Lücke im politischen Spektrum, die die SPD gerne füllen will. Pragmatische Politik hat es da schwer, weil Bürgerrechtsfragen häufig zu Glaubensfragen gemacht werden: für die Vorratsdatenspeicherung oder dagegen. Schwarz oder Weiß. Kompromisse sind da per se faul.

Nächster Konflikt lauert bereits

Das gilt auch beim Thema Vorratsdatenspeicherung. Eine nüchterne Betrachtung ist in einer seit Jahren emotional geführten Debatte kaum möglich. Das nun veröffentlichte Gutachten kann einen Ausweg aufzeichnen, weil es die Dimension des Eingriffs in Grundrechte deutlich aufzeigt, gleichzeitig aber die Legitimation des Ziels nicht infrage stellt. Das Gericht sollte dem folgen. Die Umsetzung müsste dann an eine Evaluation gebunden sein: Verbessert sich die Aufklärungsquote, oder nicht.

Der nächste Konflikt zwischen freiheitlichen Grundrechten und Sicherheitserfordernissen lauert bereits: bei der Überarbeitung der Anti-Terror-Gesetze. Da wird sich zeigen, ob es eine Bürgerrechtsbewegung in der großen Koalition gibt. Und ob die den Namen SPD trägt.

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