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Meinung: Es kann noch schlimmer werden Haiti hat der Welt

nichts anzubieten

Die Lage in Haiti, heißt es, ist entweder schlecht oder sehr schlecht. Im Moment ist sie wieder einmal sehr schlecht. Die Verantwortung dafür liegt, je nach Weltauffassung: bei den Amerikanern, deren Haitipolitik sich seit Jahren durch Unentschlossenheit auszeichnet; beim zunehmend tyrannisch gewordenen Präsidenten Jean-Bertrand Aristide; bei der Opposition, die nun einen durch Wahlen im Amt bestätigten Präsidenten von der Insel vertrieben hat, und zu der Männer wie Louis-Jodel Chamblain gehören, ein Anführer der Todesschwadronen.

Die Begeisterung der Amerikaner für Aristide hielt sich in der Tat schon immer in Grenzen. Präsident Clinton zögerte lange, ihm nach dem Militärputsch Anfang der neunziger Jahre den Weg zurück an die Macht zu ebnen. Fast eine Milliarde Dollar floss seitdem auf die Insel, doch für den Aufbau demokratischer Strukturen (geschweige denn für deren Abbau durch Aristide) interessierte sich in Washington kaum jemand. Die halbherzige Unterstützung der Bush-Regierung führte schließlich zu einer Eskalation des Bürgerkriegs und, auf Aufforderung der Amerikaner, zur Flucht von Aristide. Dass sie nun ein gefährliches Machtvakuum füllen müssen – die ersten Marines sind schon auf der Insel –, dürfen sich die US-Außenpolitiker also durchaus selbst zuschreiben.

Aristide, der sich inzwischen dort aufhält, wo einst Kaiser Bokassa sein Unwesen trieb, hat die Erwartungen, die Haitis Bevölkerung in ihn gesetzt hatte, enttäuscht. „Wir haben den Fehler gemacht, zu glauben, er sei ein politischer Führer. Er weiß und versteht nicht, wozu eine politische Partei da ist“, sagt ein ehemaliger Minister. Aristide hat die kraftlose Demokratie in Haiti weiter geschwächt.

Die Situation hätte also besser sein können. Sie wäre noch immer schlecht. Daran werden eine internationale Friedenstruppe, die die Milizen entwaffnet, und ein internationaler Friedensplan nicht viel ändern. Haiti ist bettelarm, die Hälfte der Bevölkerung besteht aus Analphabeten, die Aidsrate steigt, die haitianische Klassengesellschaft ist aufs Bitterste verfehdet. Während der Unruhen der vergangenen Tage konnten zudem 2000 Insassen aus den Gefängnissen fliehen. Ein Nachfolger für Aristide, der einmal als Haitis Mandela gefeiert wurde, ist nicht in Sicht.

Die traurige Wahrheit lautet: Haiti hat der Welt nichts anzubieten, strategisch nicht, politisch nicht, wirtschaftlich nicht. Die Insel bleibt auf Hilfe von außen angewiesen, und zwar langfristig. Das kurzfristige Ziel für Haiti ist ein kleines, humanitäres: Dass es um den Inselstaat wieder nur schlecht bestellt ist – nicht mehr sehr schlecht.

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