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Meinung: Es taut im Mittelmeer

Die warme Sonne Zyperns lässt nicht nur den Schnee auf den Troodos-Bergen schmelzen. Auch politisch herrscht Tauwetter auf der geteilten Insel.

Die warme Sonne Zyperns lässt nicht nur den Schnee auf den Troodos-Bergen schmelzen. Auch politisch herrscht Tauwetter auf der geteilten Insel. Vier Jahre lang gaben sich Rauf Denktasch, der Führer der Zyperntürken, und Glafkos Klerides, der griechisch-zyprische Präsident, überhaupt nicht die Hand. Nun haben sie sich seit Anfang Dezember bereits fünf Mal getroffen. Die beiden alten Männer legen ein erstaunliches Tempo vor. Jeweils drei Mal pro Woche wollen sie vom kommenden Montag an zusammenkommen. Bis Mitte Juni sollen die Fundamente einer Zypernlösung gelegt sein. Das klingt ambitioniert nach fast 28 Jahren der Teilung und Dutzenden von gescheiterten Anläufen zu einer Wiedervereinigung.

Einen erstaunlichen Sinneswandel scheint vor allem Denktasch vollzogen zu haben. Noch im September bezeichnete er weitere Verhandlungen als "Zeitverschwendung". Wie ernst es ihm jetzt mit einer Verständigung ist, bleibt abzuwarten. Vieles spricht dafür, dass Denktasch nicht ganz freiwillig an den Verhandlungstisch zurückkehrte. Unter Zyperns Türken wächst die Unzufriedenheit. Seit dem vergangenen Sommer sieht sich Denktasch mit Streiks und Massenprotesten konfrontiert. Immer häufiger schwenken die Demonstranten die blaue Europaflagge. Während Denktasch eine Beteiligung an den EU-Beitrittsverhandlungen trotzig ablehnt, wollen sich die meisten Inseltürken, deren Pro-Kopf-Einkommen weniger als ein Drittel dessen beträgt, was im griechischen Süden erwirtschaftet wird, den Zyperngriechen auf deren Weg in die Union anschließen. Das kann Denktasch nicht länger ignorieren.

Aber auch die Regierung in Ankara hat ihren Statthalter offenbar gedrängt, Verhandlungsbereitschaft zu zeigen. Die Türkei hofft, mit Zugeständnissen in der Zypernfrage die eigenen EU-Ambitionen zu fördern. Damit scheint das Kalkül der Inselgriechen, die EU-Beitrittsverhandlungen würden sich als Katalysator für die Lösung des Zypernproblems erweisen, aufzugehen.

Offen bleibt allerdings, wie weit die Kompromissbereitschaft Denktaschs und Ankaras geht. Ein gewichtiges Wort werden auch die mächtigen türkischen Militärs mitreden wollen. Gegen den Willen der Generäle wird kein einziger der rund 35 000 Besatzungssoldaten aus Nordzypern abziehen. Aber auch die Inselgriechen müssen Zugeständnisse machen, wenn die Teilung der Insel überwunden werden soll - größere Zugeständnisse, als sie bisher wohl ahnen.

Der Weg zu einer Zypernlösung ist so steinig wie die Berge und Ebenen dieser Insel. Schwierig wird es vor allem, beiden Volksgruppen das notwendige Maß an Selbstverwaltung zu sichern und gleichzeitig eine Zentralregierung zu etablieren, die Zypern nach außen vertritt und deren Zusammensetzung die politische Gleichberechtigung beider Volksgruppen berücksichtigt.

Das ist keineswegs nur eine innere Angelegenheit. Auch die EU muss ein Interesse an einer funktionierenden Verfassungsordnung auf der Insel haben. Ansonsten droht die Gefahr, dass die Union mit dem Beitritt Zyperns zum Forum der griechisch-türkischen Volksgruppenkonflikte wird - was zu einer Lähmung der EU-Außen- und Sicherheitspolitik führen könnte.

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