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Meinung: Ethik wird real

Therapeutisches Klonen scheint möglich zu sein – und ein Verbot wäre nicht sinnvoll

Nein, diesmal sind es nicht irgendwelche Sektierer oder geltungssüchtige Mediziner, die Schlagzeilen mit dem Klonen machen. Sondern ein Forscherteam, das seine Forschungsergebnisse in einer der angesehensten Wissenschaftszeitschriften veröffentlicht. Ein Gruppe um den Südkoreaner Woo Suk Hwang berichtet in „Science“, insgesamt 30 frühe menschliche Embryonen geklont zu haben. Um diese „Keimblasen“ zu erzeugen, brauchten sie 242 Eizellen. In einem zweiten Schritt gelang es den Forschern, aus den Keimblasen embryonale Stammzellen zu gewinnen und weiter zu entwickeln – der erste Schritt zum therapeutischen Klonen.

Werden nun Frauen zu „Rohstofflagern“, wie der Grüne Reinhard Loske fürchtet? Verkommt der Mensch zum „Ersatzteillager“, wie die CDU-Politikerin Maria Böhmer meint? Muss nun ein absolutes weltweites Klonverbot her, wie Böhmers Fraktionskollege Hubert Hüppe meint? Wer sich die Forschungsergebnisse der Koreaner ansieht, muss zu anderen Schlüssen kommen.

Wissenschaftlich gesehen ist die Studie der Koreaner ein großer Durchbruch – falls andere Forscher die Ergebnisse wiederholen können. Therapeutisches Klonen scheint tatsächlich möglich zu sein, trotz aller bisherigen Zweifel an der technischen Machbarkeit. Damit rückt die Therapie schwerer Krankheiten wie Parkinson oder Diabetes mit speziellen Stammzellen erstmals in den Bereich des Möglichen. Aus biotheoretischen Planspielen könnte eines allerdings noch fernen Tages Realität werden.

Dabei geht es eben nicht darum, Frauen zu „Rohstofflagern“ und Menschen zu „Ersatzteillagern“ zu machen. Denn es handelt sich lediglich um spezielle Zellen, die im Reagenzglas erzeugt und gezüchtet werden, nicht etwa um ganze Organe, die lebenden Menschen entnommen werden. Mit solchen Horrorvisionen wird das Bemühen um neue Behandlungsmethoden für schwere Krankheiten auf unsachliche Weise diskreditiert.

Allerdings steht die Forschung noch weitgehend am Anfang. Denn natürlich ist es ein großes Problem, dass zur Erzeugung der therapeutischen Stammzellen weibliche Eizellen benötigt werden. Im Idealfall könnte eine kranke Frau sich diese selbst spenden, in anderen Fällen bliebe man(n) auf „Spenden“ angewiesen. Die Koreanerinnen waren dazu bereit, sogar ohne finanzielle Entschädigung. Aber das dürfte die Ausnahme sein.

Ein weiteres Problem steckt in den embryonalen Stammzellen selbst. Je ursprünglicher und wachstumsfreudiger sie sind, desto leichter können sie zu Tumoren entarten. Dann würde aus der potenzieller Heilung eine möglicherweise tödliche Gefahr. Noch also ist viel Forschung nötig, um die therapeutische Theorie in die heilende Praxis umzusetzen.

Das Beispiel illustriert, warum ein totales Klonverbot nicht sinnvoll ist – anders als das des reproduktiven Klonens, also des „Menschenkopierens“. Denn es gibt durchaus Staaten, die hochrangige medizinische Zwecke als Begründung für therapeutisches Klonen für sinnvoll halten und den Schutz früher Embryonen geringer ansetzen. Anders in Deutschland: bei uns wird zwar die Abtreibung nicht bestraft, doch dafür ist die medizinische Forschung an (aufgegebenen) Embryonen verboten. Man kann geteilter Meinung sein, welche Gesinnung ethischer ist.

Der zweite Grund, weshalb ein totales Klonverbot nicht sinnvoll ist, ist die Tatsache, dass auch ein Land wie Deutschland eines Tages von Versuchen wie denen in Korea profitieren könnte. Denn der Wissenszuwachs aus der seriösen Klon- und Stammzellforschung könnte dazu führen, dass wir eines Tages in der Lage sein werden, mit herkömmlichen Zellen neue Therapien zu ermöglichen – ganz ohne Klone.

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