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EU-Anwärter Ukraine: Timoschenko und andere Sorgen

© dpa

EU-Partner Ukraine: Kontras aus Kiew

Die Ukraine versucht den Balanceakt zwischen EU-Annäherung und Russland-Treue. Kooperationsbedingungen aus Brüssel - auch den Fall Timoschenko betreffend - will Kiew nicht erfüllen. Ein Plan B wird nötig.

Die Ukraine macht es ihren Freunden nicht leicht. Die versuchen vieles, um dem Land die freie Wahl zu eröffnen, ob es sich eher mit der Europäischen Union oder mit Russland zusammentun möchte. Das ist riskant in einer Zeit, in der viele Bürger eine Überdehnung der EU fürchten und der Appell, für weitere Länder Mitverantwortung zu übernehmen, unpopulär ist.

Dennoch ist es richtig, dass die EU der Ukraine die Assoziierung angeboten hat. Die Ostgrenzen der EU-Mitglieder Polen, Slowakei und Ungarn sollen nicht zu einer harten Trennungslinie in Europa werden – und die Ukrainer nicht das Gefühl gewinnen, der Westen stoße sie wenige Jahre nach ihrer Unabhängigkeit zurück unter russische Hegemonie. Leider zeigt die Führung in Kiew keine ähnliche Weitsicht. In Überschätzung ihrer geostrategischen Bedeutung pokert sie darum, ob sie wirklich alle EU-Anforderungen erfüllen muss.

Da zeigt sich ein Mangel an Reife und Verantwortungsbewusstsein der politischen Klasse in Kiew, ganz voran ihres erratischen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Das Schicksal seiner Gegenspielerin Julia Timoschenko steht im Zentrum dieser Machtprobe. Nun könnte man lange diskutieren, ob Europa eine so strategische Frage wie die Anbindung der Ukraine an die EU von der Einzelperson Timoschenko abhängig machen soll. Die ist selbst eine eher zwielichtige Figur. Sollen 45 Millionen Ukrainer dafür büßen, dass sie ausgerechnet an dieser historischen Weggabelung einen verantwortungslosen Präsidenten haben und die EU ihren Prinzipien treu bleiben möchte?

Auch Russland trägt seinen Teil zur Anspannung bei - doch die EU darf keine permanente Entfremdung zulassen

Manche geben auch Russland die Schuld an der Zuspitzung. Es stimmt, Moskau setzt seine Machtmittel ein, um ehemalige Sowjetrepubliken an der Westorientierung zu hindern, ganz voran deren Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen. Aber auch da hat die EU Hilfe angeboten. Am Ende liegt die Entscheidung bei der Ukraine, ein Scheitern der Assoziierung an die EU wird allein deren Führung zuzuschreiben sein.

Zudem zeigt sich in Kiews Verhalten ein Muster, das die Erfolgsaussichten der geplanten Kooperation mindert. Der Beschluss zur Assoziierung ist nur der Anfang eines mühsamen Modernisierungsprozesses. Wenn Kiew bereits bei einer Handvoll Reformen zögert, die die EU zur Bedingung für das Abkommen gemacht hat, wie wahrscheinlich ist es dann, dass die vielen hundert Reformschritte folgen, die für die Verwirklichung der Assoziierung erforderlich sind?

Bis zum EU-Gipfel in sechs Tagen wird sich der Konflikt wohl nicht lösen lassen. Und dann sollte die EU auch keine falschen Kompromisse schließen. Umso wichtiger wird es aber, zu verhindern, dass aus dem derzeitigen Nein eine permanente Entfremdung wird.

Schon jetzt sollte die EU über einen Plan B nachdenken, der es der Ukraine erlaubt, Moskaus Druck zu widerstehen, bis sie die Kraft findet, die Fehler zu korrigieren, die sie vor diesem EU-Gipfel gemacht hat. Womöglich kommt diese Gelegenheit erst 2015, wenn das Land einen neuen Präsidenten wählt. Im besten Fall wird der Zurückweisungsschock die Bürger tiefer darüber nachdenken lassen, wen sie zu ihrem Präsidenten wählen.

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