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Bundeskanzlerin Angela Merkel.

© dpa

Euro-Krise: Draghi steht nicht zur Wahl

Es ist zu spät, um mit Merkel und Steinbrück noch über den Euro zu reden. Die Euro-Krise ist längst nicht mehr Sache der Politik.

Die Euro-Krise ist faktisch unheilbar“, schreibt der englische Wirtschaftsjournalist David Marsh in seinem Buch „Beim Geld hört der Spaß auf“.

Offenbar haben Angela Merkel und Peer Steinbrück das Buch bereits gelesen, denn sie machen im Wahlkampf gar nicht erst irgendwelche Angebote, wie sie die Krise heilen wollen. Es ist, wie es ist, was sollen wir auch machen. Und wenn das alles vorbei ist, wird Europa „stärker als vor der Krise sein“ (Merkel). Der Euro ist für sie nur selten Thema.

Das ist deshalb erstaunlich, weil gleichzeitig in Deutschland zu keinem anderen Thema so viele Bücher verfasst werden. Ulrich Beck, Edzard Reuter, Holger Schmieding, Joachim Starbatty, Peter Bofinger, Robert Menasse, Hans-Werner Sinn, Walter Krämer u. v. a. – die einen für den Euro, die anderen dagegen. Gleichzeitig glauben, laut einer repräsentativen Umfrage, nur 17 Prozent, dass die Krise ihren Höhepunkt bereits überschritten habe, und jeder Zweite fürchtet um seinen Wohlstand. Es müsste also in Deutschland viele gut informierte Gesprächspartner zum Euro geben.

Dass im Wahlkampf trotzdem mehr über die Maut als über den Euro debattiert wird, liegt auch daran, dass die SPD und die Grünen jeden Euro-Schritt der Kanzlerin in den vergangenen Jahren unterstützt haben. Der wirkliche Grund ist jedoch ein anderer: Es ist zu spät, um noch über den Euro zu reden. Die Regierung Merkel hat die politische Verantwortung für den Umgang mit der Krise bereits abgegeben. Mit der Ankündigung des Präsidenten der Europäischen Zentralbank Mario Draghi, den Euro um jeden Preis zu stützen, ging die Selbstentmachtung derjenigen einher, die wir wählen. Politisch, so offenbar die damalige Einschätzung von Merkel und Wolfgang Schäuble, lässt sich die Krise nicht lösen. Über die Zukunft des Euro entscheidet seitdem vor allem eine Europäische Zentralbank, deren Direktoriumsmitglieder sich nicht auf kleinen Plakaten am Straßenrand dem Wähler vorstellen müssen. Draghi kann man nicht wählen, und worüber soll man mit Merkel und Steinbrück dann noch reden? Selbst die Euro-kritische „Alternative für Deutschland“ kommt in Wahrheit vier Jahre zu spät. Den abgetretenen politischen Einfluss würde auch sie bei einem Wahlsieg nicht zurückgewinnen können.

Schon bei den Wahlen in Griechenland und Italien wurde deutlich, dass es auf die Entscheidung der Wähler nicht wirklich ankam. Wie die zukünftige Politik der Länder aussehen würde, war der Troika vor Schließung der Wahllokale klar. Was damals als kalte Machtpolitik der Großen gegenüber den Kleinen wahrgenommen und kritisiert wurde, erweist sich nun als Strukturphänomen der Union: Auch bei den Großen, auch bei Deutschland, haben die Wähler keinen Einfluss mehr auf das wichtigste Thema der Zeit. Es ist dem nationalen Entscheidungsbereich entzogen und dabei nicht einmal, wie es sich die Anhänger einer politischen Union wünschen, in einen demokratisch legitimierten europäischen Rahmen übertragen. Der Wähler hat schlicht keinen Einfluss mehr darauf, was mit der Gemeinschaftswährung geschieht.

Deshalb sieht der Wahlkampf so aus: Merkel spricht sich gegen einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland aus, der vor allem die europäischen Steuerzahler treffen würde („Ich sehe einen Schuldenschnitt für Griechenland nicht“). Und die SPD wirft der Kanzlerin vor, alles Unangenehme über den Wahltag hinausschieben zu wollen. Gleichzeitig hält aber auch Steinbrück nichts von einem Schuldenschnitt, wirft Merkel aber gleichzeitig vor, sie nehme in Kauf, „dass die Krise viele Freunde und Nachbarn uns in Europa entfremdet“. Wie sie ohne einen weiteren Schuldenschnitt Griechenland retten wollen, wie sie die Wettbewerbsfähigkeit des Landes stärken wollen, wie die Nachbarn in Europa sich weniger entfremden würden, darüber reden weder Merkel noch Steinbrück.

Dass die niedrigen Zinsen nach Berechnungen der Postbank die Sparer in Deutschland in diesem Jahr bereits rund 14 Milliarden Euro gekostet haben und es noch mehr werden könnte, sollte die Inflation nur ein wenig steigen, machen die beiden nicht zum Thema. Warum auch? Die Zentralbank ist unabhängig, und darauf haben die Deutschen doch gerade so viel Wert gelegt. Was das heißt, zeigt sich jetzt: Den Steuerplänen der Grünen kann man am 22. September zustimmen oder nicht, die Pläne von Mario Draghi kann man nur zur Kenntnis nehmen. Er plant, die Zinsen „für längere Zeit auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau“ zu halten. Das kostet weitere Milliarden.

Die Bundestagswahl ist ein Einschnitt, weil sie dem deutschen Wähler vorführt, wozu die Euro-Krise auch geführt hat: zur Entmachtung der Politik. Über Wahlen nimmt man in der Demokratie Einfluss auf die politischen Entscheidungen. Wenn das nicht mehr möglich ist, verlieren die Wahlen an Bedeutung und Ansehen.

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