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Obdachlosigkeit in Athen.

© dapd

Euro-Krise: Griechenland: Deutsche Koalitionäre vergreifen sich im Ton

Die Menschen in Griechenland durchleben eine Krise, deren Auswirkungen sich in Deutschland kaum jemand vorstellen kann. Und was machen deutsche Politiker? Sie schwadronieren über den Euro-Austritt des Landes. Das ist ungehörig, geschichtsvergessen und verantwortungslos.

Von Antje Sirleschtov

Was zu viel ist, ist zu viel! Die Menschen in Griechenland durchleben in diesen Monaten eine gesellschaftliche Krise, deren Auswirkungen auf ihr ganz persönliches Leben sich in Deutschland kaum jemand wirklich vorstellen kann. Bei vielen unserer Nachbarn im Süden geht es nicht um Rechtsansprüche für Kindergartenplätze oder zehn Euro Praxisgebühr. Es geht um Existenzen und Lebensmodelle, die zusammenbrechen. Wohlgemerkt: Nicht bei korrupten Beamten und Millionären, die ihr Geld kofferweise außer Landes bringen. Sehr wohl aber bei Lehrern und Polizisten, die nicht mehr wissen, wie sie ihre Familien durchbringen sollen, weil ihr Gehalt zusammengestrichen wird. Und bei Rentnern, die zu schwach sind, um noch einmal die Ärmel aufzukrempeln und auszugleichen, was auch ihnen die Reformen abverlangen, die Europa den Griechen aufgegeben hat.

Und was machen deutsche Politiker? Sie wollen (CSU-Finanzminister Markus Söder) an Athen „ein Exempel statuieren“, sie schwadronieren vollmundig über den baldigen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone und dessen Schrecken für die Deutschen (CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt und FDP-Chef Philipp Rösler). Und selbst an dem Tag, als der griechische Regierungschef Antonis Samaras mit gebeugtem Rücken in Berlin ankommt, kann ihm CDU-Fraktionschef Volker Kauder Gedankenspiele zum Euro-Austritt nicht ersparen. Als handele es sich um einen technischen Vorgang, als ginge es um eine Nebensächlichkeit.

Video: Samaras: Berlin und Paris an einem Tag

Ungehörig ist ein solches Verhalten, geschichtsvergessen und verantwortungslos. Haben die Selbstdarsteller der neuen deutschen Konsequenz schon vergessen, wie uns unsere Nachbarn in Europa vor sechzig Jahren aus dem Dreck des Weltkriegs gezogen haben? Wie viele Jahre Zeit sie uns gaben, unser Land aufzubauen und uns von deutscher Großmannssucht zu reinigen? Fragt sich einer der Besserwisser, wie lange es in Ostdeutschland gedauert hat, neue Strukturen zu errichten und wirtschaftlich auf eigenen Beinen zu stehen? Trotz der Milliarden, die der Westen herübergepumpt hat, sucht man die blühenden Landschaften noch heute. Und Athen soll schon nach zwei Jahren beiseite geräumt haben, was zuvor ganz Europa – auch Deutschland – an Fehlentwicklungen und Subventionssümpfen angerichtet hat?

Keine Frage: Die Griechen müssen vieles ändern und manches beherzter anpacken als zuletzt. Aber sie gehören zu uns und verdienen unsere Unterstützung. Finanziell, aber auch moralisch. Wer gestrauchelt ist und nun mühsam wieder versucht, auf die Beine zu kommen, dem nützen natürlich Schecks. Aber dem hilft auch, wenn die Scheckaussteller die Größe haben, ihm Mut zuzusprechen.

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