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Wacklig. Immer mehr Länder stürzen in die Euro-Krise.

© dpa

Euro-Krisenpolitik: Dem Kontinent droht die Spaltung

Die Politiker bringen mit ihrer Taktiererei nicht nur den Euro in Gefahr, sondern das gesamte Projekt der europäischen Einigung. Nötig ist eine völlig andere Herangehensweise an das Problem.

Das Prinzip der europäischen Schuldenkrise ist eigentlich nicht schwer zu verstehen. Vergleichen wir sie mit einer Fußballmannschaft, deren Spieler den Sieg wollen: Alle müssen rackern, damit es klappt mit dem Toreschießen. Fällt einer aus, weil er verletzt ist oder müde, müssen die anderen für ihn ran. Ein Team ohne diesen Mannschaftsgeist fährt als Verlierer heim.

Die Verletzungssorgen der Euro-Zone werden von Tag zu Tag größer. Mindestens fünf der 17 Mitspielerländer sind mittlerweile der Überschuldung nahe – nach Griechenland, Portugal und Irland nun Italien und Spanien. Die Zweifel wachsen, dass die reichen Länder – Deutschland, die Niederlande, Österreich, Finnland, vielleicht noch Frankreich – die Ausfälle auf Dauer kompensieren können. Investoren und Ratingagenturen veranstalten ein gellendes Pfeifkonzert, sie verlieren den Glauben, dass die Europäer das Spiel noch einmal drehen können. Weil die Politiker nicht verstehen, wie simpel die Regeln sind.

Seit anderthalb Jahren, seit Griechenland die Partnerländer um Hilfe anbetteln musste, doktern sie an dem Problem herum. Jedes Gipfeltreffen laden die Regierungschefs und ihre Finanzminister mit dem Versprechen auf, nun das Schuldenthema ein für allemal abzuräumen. Doch jedes Mal scheitern sie an diesem Anspruch. Immer größere Hilfspakete, immer dramatischere Sparappelle an die Kreditsünder ist alles, was den Euro-Ländern einfällt – statt eines großen, belastbaren Bekenntnisses zur europäischen Einigung um jeden Preis. Es wäre eine Überraschung, würde es beim nächsten Krisentreffen anders laufen.

Nicht böse Spekulanten oder willfährige Ratingagenturen sind deshalb schuld an der Eskalation der Krise. Sondern die Politiker mit ihrer Taktiererei. Sie bringen damit nicht nur den Euro in Gefahr, sondern das gesamte Projekt der europäischen Einigung. Wie sonst wäre das Irrlichtern der vergangenen Monate zu erklären? Erst wollten die Länder die Banken zwingen, bei der Rettung der Pleitestaaten mitzuhelfen, dann wieder sollten die es freiwillig tun. Nach der jüngsten Brüsseler Debattiernacht liegen plötzlich selbst jene Optionen wieder auf dem Tisch, die längst verworfen zu sein schienen. Zu mehr Vertrauen bei Anlegern führt das nicht, nur zu weiter steigenden Risikoprämien für die Schuldenländer.

Eine besondere Rolle kommt dabei Wolfgang Schäuble zu. Als Finanzminister des mit Abstand stärksten EU-Landes müsste er die Richtung vorgeben, mit klaren, realitätsnahen Konzepten. Stattdessen hat seine Forderung, die Banken an der Rettung der klammen Staaten zu beteiligen, eine Lösung unnötig verkompliziert. Zwar wäre es wünschenswert, die Institute bluten zu sehen – es birgt aber das Risiko einer unkontrollierten Wirtschaftskrise. Schäubles Taktik ist aber offenbar, mit seiner Linie die Kleingeister in der Koalition einzufangen, die frische Milliarden zur Euro-Rettung aus Angst vor dem deutschen Wähler blockieren.

Der Minister wäre besser beraten, seinen Kollegen und dem Volk zu erklären, welche Optionen jetzt überhaupt noch zur Wahl stehen. Entweder die Europäer teilen ihren Kreditgebern mit, dass Griechenland und Co. ihre Schulden nur zum Teil zurückzahlen werden – was allerdings eine neue Weltfinanzkrise heraufbeschwören könnte. Oder aber die Euro-Staaten beschließen, gemeinsam für die Schulden der Hallodris geradezustehen. Dann müssten sie Anleihen ausgeben, die von allen 17 Staaten garantiert werden und deshalb günstigere Zinsen bieten. Das wäre der längst fällige Einstieg in eine Transferunion, die zwar teuer, aber unausweichlich ist, wenn die Währungsunion fortbestehen soll.

Die europäische Integration würde damit eine neue Stufe erreichen. Das Schlimme ist aber, dass sich kein Regierender traut, über Europas Zukunft auch nur laut nachzudenken. Ohne Lehren aus dem Schuldenchaos aber wird der Euro den Kontinent spalten, statt ihn zu versöhnen. Oder, um beim Fußball zu bleiben: Nötig ist eine völlig andere Spieltaktik, sonst wird es für die 17 Mitspieler schwer, die Klasse zu halten.

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