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Meinung: Europa muss Russland Einhalt gebieten

Nur wenn die EU sich engagiert, kann es Frieden im Kaukasus geben Von Michail Saakaschwili

Heute begehen wir in Georgien den dritten Jahrestag der Rosenrevolution. Und in der letzten Woche haben wir einen Aktionsplan mit der EU unterzeichnet. Beides sind Meilensteine auf unserem Weg nach Europa. Unsere Bindung an Europa ist nicht neu, sie hat tiefe Wurzeln in Kultur und Geschichte wie in gemeinsamen Werten. Und von einer engen Beziehung zwischen Georgien und der EU profitieren beide: Gemeinsam können wir Energieressourcen für Europa sichern, Märkte für unsere Waren schaffen, Grenzen schützen und für Stabilität in der Schwarzmeer-Region sorgen.

Im November 2003 haben die Georgier einen friedlichen Regimewechsel eingeleitet, um Korruption und Missbrauch der Macht zu beenden und das Land in eine demokratische Zukunft zu führen. Dass es nicht leicht werden würde, wussten wir. Kurz nachdem Georgien 1991 unabhängig wurde, haben blutige Konflikte das Land zerrissen. Die Regionen Südossetien und Abchasien erklärten sich als autonom, hunderttausende Georgier mussten fliehen. Bislang ist alle Vermittlung gescheitert. Obwohl die Regionen nach internationalem Recht klar zu Georgien gehören, verweigern sich einige ihrer Teile der georgischen Souveränität.

Ungeachtet dessen sind wir den Weg der demokratischen Reform gegangen, um einen Staat nach europäischem Vorbild aufzubauen. Es sind europäische Berater, die uns helfen, das Rechtssystem umzubauen, die Wirtschaft zu fördern und die Grenzen zu sichern. Kein Land ist dabei so wichtig wie Deutschland, das uns großzügig geholfen hat. Doch es bleibt viel zu tun. Unser Staat ist noch jung, und der Kommunismus hat Spuren hinterlassen. Dennoch hat Georgien seit 2003 viel geleistet. Galt es damals noch als „failed state“, zählt es heute zu den erfolgreichsten Transformationsländern. Kürzlich hat uns die Weltbank auf Platz eins unter den neuen Demokratien gesetzt, und die OSZE hat unsere Kommunalwahlen ausdrücklich gelobt.

Zu den inneren Herausforderungen kommt die geopolitische Lage hinzu. Georgien liegt seit jeher zwischen großen Mächten – Russland, der Türkei und dem Iran. Heute ist es das wieder imperialistisch auftretende Russland, das uns Schwierigkeiten bereitet. So werden die Separatisten in Südossetien und Abchasien von Moskau offen unterstützt. Russland hat Pässe ausgegeben und zahlt Renten, russische Berater arbeiten in der Verwaltung. Jüngst hat Moskau eine fremdenfeindliche Kampagne gegen Georgier in Russland gestartet, die noch immer weitergeht. Und Russland hat auch uns gegenüber begonnen, Energie und Wirtschaftsbeziehungen als politische Waffen zu benutzen – durch die völlige Blockade Georgiens und die Ankündigung, den Gaspreis willkürlich zu verdoppeln.

Wir sind überzeugt, diese Spannungen überwinden zu können. Russland hat ein fundamentales Interesse an guter Nachbarschaft. Um dieses Interesse wahrzunehmen, muss man aber aufhören, in Kategorien von Einflusssphären zu denken. Heute muss jede Nation frei über ihr Schicksal entscheiden dürfen. Und Georgien sieht sich als Partner, nicht als Satellit. Wir sind aber sicher: Langfristig werden Russland und Georgien zu Partnern, auf Basis gemeinsamer Interessen, insbesondere der regionalen Stabilität. Wir setzen auf ein Ende der Spannungen, durch Diplomatie und Dialog. Und wir hoffen sehr, dass die EU sich aktiv dafür einsetzt, die Gräben zu überwinden. Wer wäre dafür geeigneter als die EU? Es war ja die europäische Integration, die dazu führte, dass einst die Gräben zwischen Frankreich und Deutschland überwunden wurden. Vor einigen Wochen habe ich einen neuen Rahmen für Friedenssicherung und Konfliktlösung für Südossetien und Abchasien vorgeschlagen, mit einer wichtigen Rolle für die EU. Die sehr positive Aufnahme des Vorschlags in EU-Hauptstädten gibt uns Mut. Wir brauchen eine dem 21. Jahrhundert angemessene Lösung.

Allein im letzten Jahr sind 100 000 Georgier aus Europa und der Welt zurückgekehrt. Sie haben mit den Füßen abgestimmt, und nun helfen sie dabei, ein neues, demokratisches und modernes europäisches Land aufzubauen.

Der Autor ist Präsident Georgiens.

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