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Meinung: Europas General auf dem Weg ins Weiße Haus

Verdrängt Wesley Clark bald Howard Dean von der Spitze des demokratischen Kandidatenfelds?

Während ganz Amerika den Schlaf über Arbeitslosenzahlen und Defizit verliert, schläft Bush tief und fest. Howard Deans Wahlkampftour heißt deshalb „Sleepless Summer“. Die Vorwahlen finden erst im Januar statt, doch in den Umfragen lässt Howard Dean die übrigen acht demokratischen Kandidaten weit hinter sich.

Deans Basis-Wahlkampf ist erstaunlich erfolgreich. Das mag mit Bushs sinkender Beliebtheit zu tun haben. Zum ersten Mal wollen mehr Amerikaner, dass er geht, als dass er bleibt. Für die Demokraten stellt sich also die Frage, wer von all den Bewerbern die besten Chancen hat, von Bushs Krise zu profitieren. Die Antwort, vor allem die der Führungsriege der Partei lautet: nicht Howard Dean.

Ein Grund ist die Tatsache, dass die größten Dean-Fans Republikaner sind. Abgesehen von seinem harten Antikriegskurs ist Dean ein Mann des politischen Mainstreams, finanzpolitisch konservativ und gesellschaftspolitisch liberal. Sein Image ist jedoch das eines radikalen Linken, und in einem Land, in dem die Hälfte der Wähler sich als „wiedergeborene“ Christen bezeichnet, ist das nicht besonders hilfreich, wenn man ins Weiße Haus will.

Der, den die Regierung fürchtet, hat noch nicht entschieden, ob er antritt oder nicht: Wesley K. Clark. In Umfragen schlägt er alle demokratischen Kandidaten – und auch Bush. Seine Anhänger haben schon mal präventiv eine Million Dollar gesammelt. Clark ist aber auch in Europa ein bekanntes Gesicht: Der ehemalige Nato-Chef stand maßgeblich hinter der Entscheidung, mit Gewalt gegen Milosevic und seine ethnischen Säuberungen auf dem Balkan vorzugehen.

Noch, heißt es, zögere Clark aus Rücksicht auf seine Frau. Doch sollte der General in den Ring steigen, die Konstellation der Wahl wäre ein komplett andere. Das derzeitige Kandidatenfeld der Demokraten ist eine trostlose Mischung und dokumentiert, wie planlos die Partei sich daranmacht, den noch immer populären Präsidenten und zweimaligen Kriegsherrn (Afghanistan, Irak) aus dem Amt zu heben. Was die Demokraten brauchen, ist jemand, der innenpolitisch liberal und außenpolitisch erfahren ist, der sich der polternden Kriegspolitik Bushs entgegenstellen kann, ohne als naive Friedenstaube verlacht zu werden. In anderen Worten, was die Demokraten brauchen, ist einer wie Clark.

Clark ist in vieler Hinsicht ein Anti-Bush, ein perfekter Kandidat, um von der wachsenden Unzufriedenheit der Nation zu profitieren. Er ist sozialpolitisch moderat (er tritt für die Möglichkeit von Abtreibungen oder für die bewusste Bevorteilung von Minderheiten ein), und er ist – im Gegensatz zu Bush, der seinen Militärdienst im Inland absolvierte – ein hochdekorierter Kriegsveteran. Und auch für Europa ist er von großem Interesse, als Multilateralist durch und durch. Eine Besetzung des Irak, so hatte Clark vor dem Krieg gesagt, würde auf Dauer nur mit internationaler Unterstützung möglich sein.

Gegen Clark spräche sein später Einstieg in den Wahlkampf und seine politische Unerfahrenheit. Doch würde heute darüber entschieden, wer die Lage im Irak klarer vorausgesagt hat, dann gäbe es über den Ausgang dieser Wahl jedenfalls keinen Zweifel.

Die Autorin arbeitet bei „US World & News Report“ und ist derzeit als Burns-Stipendiatin Gast der Tagesspiegel-Redaktion.

Joellen Perry

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