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Mark Zuckerberg hält die Idee, dass Facebook Einfluss auf das Wahlergebnis in den USA gehabt haben könnte für "verrückt".

© AFP

Fake-News, Facebook und Co.: Die Bürger im Neuland sind mündig

Die Kanzlerin verlangt mehr Regeln für die sozialen Netzwerke. Das unterschätzt die Nutzer - und ist extrem heikel. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Sidney Gennies

Wenn die Kanzlerin sich zum Internet äußert, ahnt man: Es wird ernst. Und dies sind ernste Zeiten: Donald Trump ist designierter US-Präsident, die Briten verlassen Europa – Populisten auf dem Vormarsch. Angela Merkel hat jetzt erkannt, dass daran auch das Netz schuld sein muss. Im Bundestag sagt sie: „Wir haben heute viele, die Medien konsumieren, die weniger kontrolliert sind.“ Und, „dass heute Fake-Seiten, Bots, Trolle Meinungsbilder verfälschen können“.

Der Vorwurf: Facebook, Twitter und Co. lassen zu, dass ihre Nutzer teils automatisch mit sogenannten Bots, teils persönlich Lügen oder Hetze posten. Die Grenze ist fließend. So wurde im US-Wahlkampf zum Beispiel verbreitet, Hillary Clinton leide an Aids oder führe eine lesbische Beziehung mit ihrer Beraterin Huma Abedin.

Das wäre, als wollte man eine Litfaßsäule dafür bestrafen, dass sie mit Beleidigungen beschmiert wurde

Merkels Lösung lautet, mehr Regeln schaffen. Und CDU-Fraktionschef Volker Kauder denkt bereits über ein Bußgeld nach, falls Hasspostings nicht zügig entfernt werden.

Das ist aber ungefähr so, als wollte man die Litfaßsäule dafür bestrafen, dass sie mit Beleidigungen beschmiert wurde, und nicht den Verursacher. Nun generiert andererseits Facebook eine viel höhere Reichweite als eine Litfaßsäule und hat somit eine besondere Verantwortung, der sich Unternehmensgründer Mark Zuckerberg nicht stellt. Er nannte den Gedanken, Facebook könnte in der Lage gewesen sein, die US-Wahl zugunsten von Trump zu beeinflussen: „verrückt“. Es dürfte ihm aber schwerfallen, den Werbekunden zu erklären, warum Facebooks Algorithmen zwar keineswegs politische Willensbildung manipulieren können, wohl aber die Kaufentscheidungen von mehr als einer Milliarde Nutzer.

Wer entscheidet, was Hassrede und was von der Meinungsfreiheit gedeckt ist?

Es stimmt schon: Die Art und Geschwindigkeit, mit der sich Menschen informieren und Informationen verbreiten – auch falsche –, hat sich gewandelt. Und nicht erst als Merkel 2013 das Internet entdeckte und als Neuland bezeichnete. Das darf man bedauern. Die Antwort aber in der Regulierung zu suchen, ist heikel. Denn wer soll entscheiden, was zu löschen und was zu behalten ist, was Fake-News und was nur politische Satire, was Hassrede und was von der Meinungsfreiheit gedeckt? Die Internetunternehmen etwa? Oder die einzelnen Regierungen?

In China lässt sich bereits heute beobachten, wohin so etwas führen könnte. Dort sind soziale Netzwerke blockiert, denn Peking ist nicht überzeugt vom Recht auf freie Rede. Ärgerlich für Facebook, dem ein riesiger Markt verschlossen bleibt. Wie die „New York Times“ enthüllte, arbeitet das Unternehmen daher an einer Software, die es China erlaubt, Inhalte zu zensieren. Nur, dass dann nicht nur gelöscht würde, was falsch, sondern auch, was richtig ist.

Donald Trump wurde nicht wegen der Lügen gewählt

Zur Wahrheit in diesem Streit gehört auch, dass man den Wählern eine gewisse Mündigkeit lassen muss. Ja, auch hierzulande ist das Ringen um den richtigen Weg nicht immer fair. Und ja, gerade im US-Wahlkampf wurden Lügen und Propaganda verbreitet. Doch Trump wurde nicht für das gewählt, was zu Unrecht über ihn oder Clinton in Umlauf war, sondern vor allem für das, was er wirklich gesagt hatte.

Es ist nicht hinnehmbar, dass Facebook sich hinter seinen willkürlichen und intransparenten »Gemeinschaftsstandards« versteckt. Die gesetzlichen Standards setzt regelmäßig der Gesetzgeber und nicht irgendeine Internetbude.

schreibt NutzerIn immer-watt-zu-meckern

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