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Über 30 Prozent der Deutschen sorgen sich um ihre Rente - zu Recht?

© dpa

Rentenreform: Falsche Fürsorge

Mit ihrem Plan gegen Altersarmut steht Ministerin Ursula von der Leyen in der Koalition mittlerweile weitgehend allein. Die Kanzlerin wird sich etwas einfallen lassen müssen, um ihr aus der Klemme zu helfen.

An dieser Blamage wenigstens ist die Koalition vorbeigeschrammt: Ihre „Lebensleistungsrente“ hat es nicht zum Unwort des Jahres gebracht. Doch auf dem dritten Platz der Hitliste landete tatsächlich die Sprachschöpfung aus dem Koalitionsausschuss. Mit ihr werde die Lebensleistung von Menschen auf „irreführend bis zynische“ Weise reduziert, kritisierten die Sprachwächter. Zudem versuche die Politik, mit dem Begriff eine „marginale staatliche Leistung“ als umfassende Maßnahme gegen Altersarmut zu verkaufen.

Gut möglich also, dass es zur erneuten Umbenennung der einstmaligen „Zuschussrente“ kommt. Doch gelöst wäre das Problem damit nicht annähernd. Denn Ministerin Ursula von der Leyen hat in der Koalition kaum noch Verbündete, die ihr Konzept gegen Altersarmut überhaupt gutheißen. Der FDP und den Jungen in der CDU geht eine Rentenaufstockung für Geringverdiener zu weit, ihnen kommt es vor allem auf eine Belohnung privater Vorsorge an. Nicht wenige in der CDU haben mit der forschen Politikerin noch Rechnungen offen, sie gönnen ihr keinen Erfolg. Und dann ist da noch die CSU, die sich – Koalitionsbeschluss hin oder her – vollends die Sicht der deutschen Rentenversicherer zu eigen gemacht hat. Sie sieht das Grundprinzip der beitragsabhängigen Rente in Gefahr und stemmt sich gegen eine „Vermischung von Fürsorge- und Versicherungsleistungen“.

Schlechte Aussichten für die bisherige Hoffnungsträgerin der CDU, die von ihrem Konzept gegen Altersarmut schon deshalb nicht abrücken kann, weil sie damit ihre politische Existenz verknüpft hat. Da hilft es wenig, dass die Christsozialen nicht ganz redlich argumentieren. Vom sogenannten Äquivalenzprinzip nämlich, als dessen Verteidiger sie sich gerieren, ist das System längst abgerückt: Für Eltern, Erwerbsgeminderte, Witwen und Waisen fließen auch Renten, deren Höhe nicht auf dem basiert, was vorher eingezahlt wurde. Ein Viertel ihrer Einnahmen bezieht die Rentenversicherung dafür aus Steuern, Tendenz weiter steigend. Und höhere Mütter-Renten, für die sich die CSUderzeit so ins Zeug legt, würden exakt das befördern, was die Partei an der Lebensleistungsrente verteufelt: den Verstoß gegen das reine Beitragsprinzip.

Andererseits: Ein Rentenzuschuss, der je nach Region höher oder geringer ausfällt, weil er sich an der dort gewährten Grundsicherung orientiert, passt nicht ins System. Eine Einkommensprüfung von Ehe- und Lebenspartnern genauso wenig. Und wenn sich der Eindruck verfestigt, dass sich die gesetzliche Rente zunehmend am Bedarf und nicht mehr an den Einzahlungen orientiert, verliert das Beitragsprinzip tatsächlich seine Legitimation. Vielleicht ist der CSU-Vorschlag, langjährig Versicherten lieber bei der Grundsicherung was obendrauf zu packen, ja gar nicht so dumm. Dem Problem, dass man ihnen im Alter den Gang zum Sozialamt ersparen wollte, ließe sich begegnen, indem man die Auszahlung den Rentenkassen überträgt.

Dann aber käme der Bundesrat ins Spiel. Änderungen bei der Grundsicherung wären dort zustimmungspflichtig. Und egal wie sich die Parteien beim Thema Rente angenähert haben: Dass die SPD-geführten Bundesländer der Union im Wahljahr einen politischen Erfolg gönnen, ist kaum denkbar. Die Kanzlerin wird sich etwas einfallen lassen müssen, um ihrer Ministerin aus der Klemme zu helfen.

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