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Die moderne Familie ist heute nicht mehr unbedingt eine, in der zwei Erwachsene Kinder großziehen.

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Alleinerziehende am Rande der Gesellschaft: Familie ist dort, wo Kinder sind

Obwohl die Zahl alleinerziehender Eltern rasant ansteigt, fristen sie ein Randdasein in der öffentlichen Aufmerksamkeit. Steuerlich sind sie benachteiligt, werden als soziale Problemgruppe wahrgenommen. Dabei könnte die Familienpolitik für Alleinerziehende viel tun - auch ohne zusätzliche Milliardenbeträge.

Von Antje Sirleschtov

Wer wissen will, warum alleinerziehende Eltern so oft arm sind, der muss nur in Schulen gehen. Dort weiß man, was es heißt, Arbeit und Erziehung ohne Partner unter einen Hut zu bringen: Alleinerziehende kommen seltener zum Elternabend als Elternpaare, sind meist die Letzten, die ihre Kinder vom Hort abholen, und sie stöhnen am lautesten, wenn kostspielige Schulfahrten anstehen. Nein, es ist kein Spaziergang, allein für Haushalt, Hausaufgaben und all die anderen Verpflichtungen des Alltags zuständig zu sein und dann auch noch vollen Einsatz im Job zu zeigen. Jede Kinderkrankheit wird zum logistischen Drahtseilakt und jede Zusatzschicht in der Firma belastet das schlechte Gewissen, mal wieder nicht genug Zeit für die Kinder zu haben. Wer auf diese Weise ein oder sogar mehrere Kinder großzieht und es trotzdem schafft, sich gegen Hartz-IV zu stemmen und nicht jeden Freitagabend ermattet auf dem Sofa einzuschlafen, dem gebührt gesellschaftliche Anerkennung.

Doch wie sieht die Realität aus? Obwohl die Zahl alleinerziehender Eltern in den vergangenen Jahren rasant angestiegen ist, fristen sie ein Randdasein in der öffentlichen Aufmerksamkeit. Steuerlich sind sie benachteiligt, das neue Unterhaltsrecht legt ihnen Pflichten auf, ohne danach zu fragen, ob sie diese auch tragen können. Und selbst in den familienpolitischen Aktivitäten der vergangenen Jahre tauchen Alleinerziehende nur im Kleingedruckten auf oder werden als soziale Problemgruppe wahrgenommen.

Politik muss handeln - und zwar nicht aus Barmherzigkeit

Familie ist dort, wo Kinder sind: Mit diesem Bekenntnis haben sich die Parteien zwar mittlerweile bis tief hinein ins Konservative vom Primat der Ehe verabschiedet. In ihren Programmen und auf ihren Wahlplakaten jedoch sind sie im Streben nach einem modernen Familienbild auf der Hälfte des Weges stehen geblieben. Denn die moderne Familie ist eben heute nicht mehr unbedingt eine, in der zwei Erwachsene Kinder großziehen, ob nun mit Trauschein oder ohne. Zur familienpolitischen Realität gehört längst die Mutter (seltener der Vater), die mit ihren Kindern ohne Partner in einem Haushalt lebt. Und weil die Statistiken belegen, dass deren wirtschaftliche Lage trotz boomender Wirtschaft und bester Chancen auf dem Arbeitsmarkt prekär ist, wird sich die Politik genauer mit ihnen beschäftigen müssen. Und zwar nicht aus Barmherzigkeit, sondern aus puren ökonomischen Interessen heraus. Denn eines ist klar: Jede Alleinerziehende, die keine staatlichen Leistungen benötigt, entlastet die Gesellschaft. Und jedes Kind, das teilhaben kann an Musikunterricht, Klassenfahrten und Auslandspraktika, ist ein Gewinn für alle.

Was kann Familienpolitik für Alleinerziehende tun?

Doch was kann Familienpolitik für die Alleinerziehenden tun? Was den Betroffenen fehlt, ist knapp beschrieben – Zeit und Geld. Womit allerdings noch keine Richtung des politischen Handelns beschrieben ist. Schließlich wäre es weder hilfreich noch bezahlbar, Alleinerziehenden nun staatlichen Lohnausgleich fürs Zuhausebleiben zu versprechen. Worum es geht, ist mehr gesellschaftliche Aufmerksamkeit für ihre Lebensumstände. Das heißt: mehr Achtsamkeit und Flexibilität bei Arbeitgebern, weniger Sturheit bei Ämtern, wo Alleinerziehende viel Zeit beim Ausfüllen von Formularen verbringen, um Zuschüsse und Entlastungsbeiträge zu beantragen. Zeit, die sie mit ihren Kindern verbringen wollen, weshalb Hilfe oft nicht bei ihnen ankommt.

Es hilft also eine Entrümpelung der familienpolitischen Leistungen. Die Grundsicherung für Kinder sollte auf die politische Agenda! Im Steuerrecht etwa müssen Freibeträge so angepasst werden, dass Erziehung nicht mehr als Strafe empfunden wird. Und auch das Unterhaltsrecht bedarf einer weiteren Betrachtung, damit Alleinerziehende nicht allein dastehen, wenn sich weder Vater (oder Mutter) noch der Staat für die Kinder verantwortlich fühlen. Das alles ist nicht revolutionär und es kostet auch keine Milliardenbeträge. Aber es ist notwendig. Damit alle Kinder – in welcher Form der Familie sie auch leben – mit dem Gefühl aufwachsen können, dass sie der Gesellschaft gleich viel wert sind.

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