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Familienpolitik: Geschützter Bereich

Um die Deutschen vor dem Aussterben zu retten, müssen Verheiratete mit staatlichen Alimentationen gefüttert werden, so lautet die Devise in allen Parteien. Elternzeit und Kindergeld versüßen gut verdienenden Ehepaaren und ihren Sprösslingen den Urlaub im Süden.

Von Lutz Haverkamp

Familien haben es gut in Deutschland. Denn nur diesem Bund von Menschen weist die Verfassung in Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes eine herausragende Stellung zu. Selbst, wenn keine Kinder da sind und sich nur zwei Menschen in einem Verwaltungsakt auf einem Standesamt das Eheversprechen geben, genießt diese Verbindung den „besonderen Schutz“ der staatlichen Ordnung. Das schafft nicht einmal die laut Verfassung „unantastbare Menschenwürde“. Denn diese Würde muss die staatliche Gewalt lediglich „achten und schützen“.

Damit nicht genug: Die Worthülsen aus der Verfassung wurden und werden durch politisches Handeln vergoldet. Auf knapp 200 Milliarden Euro summieren sich die familienpolitischen und ehebezogenen Leistungen, listet das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend fein säuberlich auf. Knapp 40 Milliarden für Kindergeld und -freibeträge, 1,6 Milliarden für Kinderkomponenten bei der Eigenheimförderung, 460 Millionen als Kinderzuschlag zum Kindergeld, 11,5 Milliarden für Beiträge des Bundes für Kindererziehungszeiten an die gesetzliche Rentenversicherung, knapp 17 Milliarden kostet die beitragsfreie Mitversicherung der Kinder in der Krankenversicherung, die der Ehegatten etwas mehr als elf Milliarden, Tageseinrichtungen für Kinder kosten rund 15 Milliarden, für die Jugendlichen nochmal zehn Milliarden. Und auch wenn gar keine Kinder im Spiel sind, lassen Staat und Sozialversicherungen für das Ehegattensplitting gut 20 Milliarden Euro springen, für Witwen- und Witwerrenten noch mal knapp 38 Milliarden. Da kommt der Verheiratetenzuschlag für Besoldungs- und Versorgungsempfänger mit 180 Millionen Euro schon ziemlich schmal daher.

Die aufgelisteten Summen (Liste unvollständig!) verstehen sich natürlich jährlich. Und wenn man sich die Debatten – zum Beispiel in der Koalition um das Betreuungsgeld und zum Beispiel in der SPD um die Umverteilung beim Kindergeld anschaut –, wird eines sofort klar: Innerhalb des jetzt bestehenden 200-Milliarden-Euro-Systems sind überhaupt keine Umschichtungen oder gar Einsparungen möglich. Nein, auf keinen Fall! Geht gar nicht! Völlig undenkbar!

Um die aussterbenden Deutschen vor dem eigenen Untergang zu retten, müssen Verheiratete und noch zeugungsfähige Eltern unabhängig von ihrem selbst erzielten Einkommen weiter mit staatlichen Alimentationen gefüttert werden. Mehr Elternzeit, mehr Kindergeld, mehr, mehr, mehr … Irgendwann wird sich das vermehrte Kinderkriegen schon einstellen und lohnen – finanziell.

Ist doch auch eine tolle Sache, wenn sich das gut verdienende Ehepaar mit dem ersten Kind und vom Staat bezahlter Elternzeit mal für ein paar Monate im Süden Spaniens niederlässt. Die Chance gibt es im normalen Arbeitsleben so nämlich nicht. Für Geringverdiener nicht und für die egoistischen, kinderlosen, unverheirateten, bevölkerungspolitischen Blindgänger schon mal gar nicht.

Zu ändern ist das alles nicht. Eine Modernisierung des Systems könnte liebgewonnene Privilegien kosten. Aber das – so sagt es Art. 6, Abs. 1 GG – wäre eindeutig verfassungswidrig.

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