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Feminismus: Alice im Springerland

Die Feministin und Ikone der Provokation Alice Schwarzer macht Werbung für "Bild“: Missbrauch oder Mission?

Von Caroline Fetscher

Da steht sie also, die Arme verschränkt, lächelnd, langhaarig, mit großem V-Ausschnitt, mehr als mannshoch (korrekt: „frau-hoch“), und wirbt für das Boulevardblatt „Bild“. Oder besser: „Bild“ wirbt mit ihr, Alice Schwarzer, der Frauenrechtlerin Nummer eins unserer Republik.

„Jede Wahrheit braucht eine Mutige, die sie ausspricht“ ruft das Plakat an Bushaltestellen und andernorts den Passantinnen und Passanten zu. Einst war sie die Mutige, die der „Bild“ ihre im allgemeinen Sprachgebrauch „Titten-Titel“ als sexistisch und frauenverachtend um die Ohren warf. Alice im Springerland, wer hätte das geahnt? Interessiert an der plakativen Inszenierung aber scheinen vor allem Männer. Genussvoll weisen sie Weiber darauf hin, was die ungekrönte Königin des Feminismus da veranstaltet: Schaut her, das ist eure Alice! Zwar sei Schwarzer noch nicht bei den Schwarzen angelangt, hofft die „taz“, doch von „Bild“ lasse sie sich eindeutig missbrauchen. Immerhin war die Galionsfigur der Emanzipation neulich als Überraschungsgast bei den CSU-Frauen zu Gast; ihr jüngstes Buch brachte die „FAZ“, auch keine Hochburg linksgrünen Feminismus-Milieus, in Serienform. Gemeinsam gegen den Islamismus oder die Pornografie – warum nicht dafür ohne Scheu vor Ideologie den Schritt über den Rubikon wagen?

Es könne nicht schaden, bekennt Schwarzer freimütig, „wenn in so einer Runde – von Gandhi und Freud bis Einstein und Brandt – auch mal eine Frau auftaucht“. Überhaupt, sagt sie, Männern würde man so eine Kampagne nachsehen. Wahrscheinlich, ja, hätte sich die grüne Basis tatsächlich kaum empört, wäre ihr Joschka an ähnlicher Stelle aufgetaucht.

Bei alledem jedoch scheint die fruchtbarste Frage jene nach dem Symptom „Alice Schwarzer“ zu sein. Seit Jahrzehnten ist Schwarzer eine Ikone der Provokation, die einzige dezidiert denkende und dabei weibliche im Staate Germany, sieht man von der eben 90 Jahre alt gewordenen Margarete Mitscherlich ab, die dem Feminismus ab und zu sekundiert, im Hauptberuf jedoch stets Analytikerin bleibt. Anglophone und frankophone Territorien hingegen produzierten Dutzende von Feministinnen der A-Liga, die in Deutschland teils kaum bekannt sind: Simone de Beauvoir, Anais Nin, Hélène Cixous, Luce Irigaray, Julia Kristeva und Marilyn French, Betty Friedan, Germaine Greer, Kate Millett, Bella Abzug, Oprah Winfrey, Andrea Dworkin, Susan Sontag, Gloria Steinem und und … Gut. Sie können wieder aufwachen. Breit ist jedenfalls das Spektrum jener Damen in Theorie wie Praxis, während „Alice“ hierzulande nachgerade ein Monopol innehat, sogar noch jetzt, zu Zeiten der ersten weiblichen Kanzlerschaft. Dermaßen vehement war die Weimarer Frauenbewegung vom Nationalsozialismus zerschlagen worden, dass danach lange nichts kam – und dann schließlich Alice Schwarzer.

Diese Position nicht auszunutzen, etwa für die implizite Aufforderung „Bild dir meine Meinung“, so würde Schwarzer wohl argumentieren, wäre eine Torheit.

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