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Filmfestival: Mick, Keith und all die anderen

Die Berlinale trumpft auf und profitiert von der Schwäche Hollywoods. Aufgrund des Autorenstreiks in den USA rückt das deutsche Filmfestival stärker in den Fokus der internationalen Öffentlichkeit.

Aufklärung war gestern, jetzt kommt der große Auftritt. Mit Martin Scorseses Dokumentation „Shine a Light“ über die Rolling Stones als Eröffnungsfilm der diesjährigen Berlinale hat Festivalchef Dieter Kosslick einen echten Coup gelandet.

Vorbei die Zeit der mauen bis peinlichen Eröffnungsfilme, die wahlweise Autisten im Schnee („Snow Cake“, 2006), Pygmäen im Wald („Man to Man“, 2005) oder Weltkriegssoldaten im Schlamm („Enemy at the Gates“, 2001) boten. Die Aussicht, alle Rolling Stones zur Eröffnung am 7. Februar über den roten Teppich laufen zu sehen, elektrisiert die Fans. Und mit Regisseur Martin Scorsese ist auch ein cineastisches Großkaliber dabei.

Wenn die 58. Internationalen Berliner Filmfestspiele schon jetzt in dem Ruf stehen, die ultimativen Berliner Musikfestspiele zu werden – außer den Rolling Stones treten Patti Smith und Madonna auf –, ist das eine gute Nachricht für alle Rockfans. Vielleicht ist der Starauftrieb aber auch den derzeit prekären Verhältnissen in den USA geschuldet: Die Golden-Globe-Verleihung geriet durch den Streik der Drehbuchautoren zum Desaster, für die Oscar-Verleihung am 24. Februar erwägt die Academy of Motion Picture Arts schon Alternativveranstaltungen, etwa mit im Voraus aufgezeichneten Prominentenauftritten. Roter Teppich jedenfalls, Glanz und Glamour: Fehlanzeige derzeit, in der größten Traumfabrik der Welt.

Berlin profitiert davon: Auswirkungen des Streiks auf das Festival werden offiziell nicht befürchtet. Und wenn Hollywood schwächelt, strahlt der Berliner Festivalglanz umso mehr – beobachten konnte man das 2003, als sich die Bush-kritischen US-Stars in Berlin die Klinke in die Hand gaben. Ob es für ein Filmfest, das sich immer auch engagiert auf die Seite der unabhängigen Filmemacher gestellt hat, nicht angezeigt wäre, das Dilemma der Filmautoren in einer Veranstaltung zu spiegeln, ist eine andere Frage. Die Veränderungen bei der Filmindustrie, DVD-Boom und Kinosterben gehören zum Kino heute mindestens so sehr wie der Glanz auf dem roten Teppich.

Vielleicht aber ist der diesjährige Großauftritt der Altstars auch Zeichen eines grundsätzlichen Umdenkens von Seiten der BerlinaleLeitung. Waren in den vergangenen Jahren vielleicht im Übermaß politisch engagierte Filme ins Wettbewerbsprogramm gekommen, die weniger ästhetisch überzeugten als gut gemeint daherkamen – man erinnere sich an Jennifer Lopez und ihr Mexiko-Drama „Bordertown“ –, scheint Kosslick das ureigene Kinoerlebnis nun wieder hochzuhalten. Politisch genug ist es in Berlin immer.

Magie und Mythen: Wie die Popmusik lebt das Kino von Legenden und Heroen, von Glanz und großen Momenten. Nur konsequent, dass es legendäre Rockstars sind, die dieses Element auf die Berlinale zurückbringen.

Christina Tilmann

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