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Finger-Frank: Bsirske macht den doppelten Effenberger

Dass die Zeiten rauer werden, irgendwie unbotmäßiger und rüpeliger, ist auch an den Fingern abzulesen. Ein Stinkefinger reicht nicht mehr, als Verdi-Chef muss man dann schon zwei zeigen.

Zur Untermauerung dieser These ein kleiner Ausflug in die Historie: 1994 war es, als ein Stefan Effenberg vom Spielfeld eines Fußballstadions in Amerika schritt. Die Zuschauer, die seiner Darbietung und der seiner Kollegen nicht huldigen wollten, pfiffen und johlten. Der Effenberg zeigte mit einem Finger auf sie. Leider wählte er dazu den digitus impudicus, den schamlosen Finger, wie er schon den Römern bekannt war, und vor denen, unter einem anderen Namen, auch den Griechen. In beiden Hochkulturen diente er nicht der Verehrung des Gegenübers, sondern der Verachtung. Er ist ein wenig verpönt, der Stinkefinger. Der Effenberg wurde seinerzeit hochoffiziell aus dem Kader der Nationalmannschaft geworfen und nach Hause geschickt.

Inzwischen gerät das fußballerische Œuvre des Effenberg zunehmend in Vergessenheit und er tritt zumeist nur noch als hochnotpeinliche Person der Zeitgeschichte in Erscheinung. Der Effenberger aber, der ist unvergessen und fester Bestandteil unseres Alltags geworden, ja, nicht nur im Straßenverkehr ist er zur geflügelten Geste aufgestiegen, auch wenn er mit Paragraf 185 StGB geahndet werden kann. Der Effenberger ist der Nachfolger der Feigenhand, jener Geste, bei der der Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger geklemmt wird. Die kennt heute kaum noch einer. Trotzdem, auch weil Kinder mitlesen könnten und wegen der allgemeinen Schicklichkeit dieser Zeilen, wollen wir auf eine Übersetzung beider Fingerzeige verzichten.

Nur so viel: Hätte sich Gewerkschaftschef Frank Bsirske vor ein paar Tagen mit doppelter Feigenhand ans Rednerpult gestellt, die Aufregung wäre wohl groß gewesen. Stattdessen nahm er den doppelten Stinkefinger und damit die intellektuelle Fallhöhe des Effenbergs ein. Muss ja jeder selber wissen, mit wem er sich auf eine Stufe stellt. Und weil die Zeiten rauer geworden sind und die Gewöhnung groß, geschieht Frank Bsirske nichts. Man muss allerdings auch sagen, dass er die Geste auf Axel Wienandt bezogen haben möchte, den Ex-Manager der Skandalbank HRE, für die dieser 18 Monate tätig war und nun ab dem 60. Geburtstag eine monatliche Rente von 20 000 Euro bezieht. Na dann. Alle Hände fliegen hoch. Helmut Schümann

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