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Meinung: Fischer im Nahen Osten: Wie hoch fliegt der Außenminister?

Die rot-grüne Bundesregierung liebt außen- und sicherheitspolitische Grundsatzdebatten nicht sonderlich. Das kann man verstehen.

Die rot-grüne Bundesregierung liebt außen- und sicherheitspolitische Grundsatzdebatten nicht sonderlich. Das kann man verstehen. Immerhin haben die meisten ihrer Minister schon so viele dieser Debatten hinter sich, dass es für zwei Generationen reicht. Dennoch drängt sich der Eindruck auf, es müsste mal wieder etwas umfassender darüber gesprochen werden, was deutsche Außenpolitik im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts will und kann. Oder auch nicht wollen kann.

Ausgerechnet aus den Reihen der Opposition stammt der Vorschlag, das Parlament künftig nicht mehr über Einsätze wie den in Mazedonien entscheiden zu lassen. Dadurch würde die operative Freiheit einer jeden Regierung erhöht - ein interessanter Punkt. Nur: Wollen wir überhaupt, dass Deutschland außen- und sicherheitspolitisch noch mehr tun kann? Dass es noch schneller eingreifen kann? Sich noch tiefer verpflichtet?

Wenn man auf den Etat des Verteidigungsministers schaut, wollen wir es offenbar nicht. Wenn man sich ansieht, wie wenig Geld Heidemarie Wieczorek-Zeul zur Verfügung hat, auch nicht; denn Entwicklungspolitik ist ja nicht bloße Mildtätigkeit, sondern vielmehr eine besonders menschenfreundliche Form der Interessenpolitik. Offenkundig ist sich die Bundesregierung selbst nicht recht darüber im Klaren, was sie will.

Dabei ist die Grundrichtung der Entwicklung unausweichlich. Das Gewicht Deutschlands nimmt durch die Osterweiterung der EU noch weiter zu. Die deutsche Vergangenheit dagegen eignet sich nicht mehr für außenpolitische Ausreden. Die Nahost-Reise von Joschka Fischer Anfang Juni zeigt, was sich geändert hat. Der schreckliche Zufall eines Selbstmordattentats in Tel Aviv brachte den Außenminister unversehens in die Rolle eines Pendeldiplomaten. Und siehe da: Es geht. Ein deutscher Außenminister kann zwischen Palästinensern und Israel kurzzeitig Verständigung vermitteln. Die deutsche Vergangenheit setzt der Außenpolitik keine Grenzen mehr im Wo und Was, sondern nur noch im Wie.

Heute reist Fischer wieder in die Region. Zwischenzeitlich hat sich die Lage des Ministers und die Lage im Nahen Osten geändert. Fischer ist als Nahostpolitiker profilierter und er fliegt unter einem deutlich höheren Erwartungsdruck. Unterdessen hat sich der Konflikt in Israel verschärft. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kann Fischer diesmal kaum etwas bewegen.

Das gibt auch einen Hinweis darauf, in welcher Gefahr sich die deutsche Außenpolitik gerade befindet. Die Ansprüche an sie wachsen schneller als ihre Möglichkeiten. Dass es bei der Bundeswehr an allen Ecken klappert, ist bekannt. Darüber hinaus kümmert sich die etwas ärmelschonerische Politikberatung in Deutschland weniger um öffentliche Debatten, als das etwa in England der Fall ist. Vor allem aber - und das ist die Schlüsselfrage für alles andere - ist die Bereitschaft der Bevölkerung, für eine wichtigere, militärische und nicht-militärische Rolle auch mehr Geld auszugeben, bisher nicht geweckt.

Es hat ja auch noch niemand versucht, sie zu wecken. Nach der großen Kraftanstrengung, die Deutschen mit nur auf diesen Ausnahmefall bezogenen Argumenten (Völkermord) zum Kosovo-Krieg zu überreden, blieb eine breite Debatte über die strategischen Konsequenzen der neuen deutschen Rolle aus. Nun haben wir einen mittleren außenpolitischen Kladderadatsch: Die Mehrheit der Bevölkerung ist gegen den gefährlichen Mazedonien-Einsatz, zu dem sich obendrein in Opposition und Regierung jede nur denkbare Position findet.

Die Abneigung der Regierung gegen alles allzu Grundsätzliche in der Außen- und Sicherheitspolitik kann man verstehen. Aber vielleicht muss sie mal sein, die Selbstvergewisserung, was uns welche deutsche Außenpolitik wert ist. Und vielleicht würden sich dafür auch die Globalisierungsgegner von Genua interessieren. Denn deutsche Außenpolitik ist in den letzten Jahrzehnten immer eher links gewesen, global gesehen: dem Militärischen abgeneigt, den Schwachen zugewandt, an internationalen Regulierungen interessiert, ökologisch.

Dass man bei alledem effizientes Militär braucht, um Frieden zu stiften, wird der Außenminister den jungen Rebellen von heute dann schon erklären.

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