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Meinung: Fischer ohne Fang

Deutschland will einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat – viele andere auch

Die Reise ging nach Osten, nach Asien. Ihr eigentliches Ziel jedoch liegt im Westen, in New York. Joschka Fischer hatte seine längste Auslandsreise – zehn Tage, fünf Staaten, neun Stationen – auch als Werbetour für einen ständigen deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat angelegt. Braucht Deutschland den wirklich? Vor allem aber: Braucht die Welt so viel mehr Deutschland?

Gemessen an den geweckten Erwartungen ist die Bilanz etwas ernüchternd. Nur ein Gastland unterstützte Fischers Wunsch offen: Indien. Das hat aber wenig mit Deutschland zu tun. Indien will selbst einen ständigen Sitz, da hilft man sich gegenseitig. Der Preis dafür: Indiens Rivale Pakistan beurteilt auch den deutschen Ehrgeiz skeptisch. Bangladesch und Sri Lanka, beide Empfänger nicht unerheblicher deutscher Entwicklungshilfe, reagierten zurückhaltend.

China verhielt sich neutral. Warum auch sollte eine der heutigen fünf Mächte mit Vetorecht im UNSicherheitsrat die Ausdehnung des Exklusivkreises auf zehn Staaten forcieren? Zumal die Ziele, die Deutschland sich dort setzt – Demokratie, Menschenrechte, Umweltschutz, friedliche Konfliktlösung statt militärischer Muskelspiele, breiter Multilateralismus und Verrechtlichung der internationalen Beziehungen – nicht unbedingt den Interessen der chinesischen KP entsprechen.

Das gewichtigste Argument für eine grundlegende Reform der UN und ihrer Institutionen: Sie repräsentieren die Welt von 1945, nicht die von heute. Die Verlierer von damals, Japan und Deutschland, sind inzwischen die zweit- und die drittgrößte Wirtschaftsmacht der Erde und der zweit- und der drittgrößte Beitragszahler der UN. Sowohl aus der veränderten Weltlage als auch aus der Suche nach der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit in der UN-Vollversammlung für eine Reform ergibt sich: Je ein Land aus Asien, Afrika und Lateinamerika soll einen ständigen Sitz erhalten.

Am Kandidaten Deutschland würde die Reform nicht scheitern. Die Bundesrepublik gilt bei Freunden und Verbündeten als verlässlich, auch wenn ihre Irakpolitik im Sicherheitsrat Amerikaner und Briten verärgert hat. In der Dritten Welt ist ihr ohnehin großes Ansehen dadurch nochmals gewachsen, mitunter freilich kam peinlicher Beifall von der falschen Seite. Umstritten sind die Repräsentanten anderer Kontinente. In Afrika konkurrieren Nigeria, Kenia, Südafrika und Ägypten. In Südamerika will Argentinien Brasilien nicht den Vortritt lassen – wie in Asien Pakistan den Indern. Selbst Japan stößt auf scheele Blicke. Deutschland kann sich ganz schön unbeliebt machen, wenn es da Partei ergreift.

Mehr Verantwortung übernehmen – das klingt nett und selbstlos. Der Ehrgeiz kann rasch zur Bürde werden, wenn Deutschland ihn ernst meint und nicht nur Exportmeister mit begrenztem machtpolitischen Einfluss sein will. Was würden zudem die Bürger sagen, wenn, zum Beispiel, das Drängen, gegen Mord und Vertreibung in Sudan vorzugehen, mit der Anfrage nach Truppen des künftigen ständigen Sicherheitsratsmitglieds beantwortet wird? Will dieses Land mehr Einfluss, auch wenn es Blut und Geld kostet – oder nur als Belohnung für das, was es heute schon in den Vereinten Nationen leistet? Vielleicht ist das Volk noch nicht so weit wie der Ehrgeiz der Regierung.

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