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Meinung: Flug in die Langsamkeit Warum Fischer in die USA reist, obwohl er kaum Termine hat

Die Psychologie der Beziehungen von Regierungen unterscheidet sich gar nicht so sehr von der zwischen ganz normalen Menschen. Wenn es unter Lebenspartnern oder guten Freunden ordentlich Zoff gegeben hat, lässt sich das Zerwürfnis nur durch Gesten der Versöhnung und des Bedauerns heilen – und die müssen umso eindrucksvoller ausfallen, je lauter das Gebrüll und je verletzender die Beleidigungen zuvor waren.

Die Psychologie der Beziehungen von Regierungen unterscheidet sich gar nicht so sehr von der zwischen ganz normalen Menschen. Wenn es unter Lebenspartnern oder guten Freunden ordentlich Zoff gegeben hat, lässt sich das Zerwürfnis nur durch Gesten der Versöhnung und des Bedauerns heilen – und die müssen umso eindrucksvoller ausfallen, je lauter das Gebrüll und je verletzender die Beleidigungen zuvor waren. Am besten, man lenkt auch in der Sache etwas ein, gibt dem anderen wenigstens ein bisschen Recht. Wer könnte solches Entgegenkommen schon zurückweisen, ohne sich selbst ins Unrecht zu setzen?

Gerhard Schröder steht dieser Königsweg zur Verständigung mit Amerikas Präsidenten nicht offen. Er hat Bush im Wahlkampf einen schießwütigen Texaner genannt, der die Welt mit seiner Irak-Politik in Abenteuer stürze – da reicht ein Blumenstrauß mit Grußkarte „Sorry, war nicht so gemeint, ich musste halt ne Wahl gewinnen“ nicht aus. In der Sache einlenken kann und will der Kanzler aber auch nicht. Seine Regierung hält einen Irak-Krieg für den falschen Weg; zudem müsste Schröder dann die Wähler betrügen, die ihm wegen seines strikten Neins zu jeder deutschen Beteiligung die Stimme gaben.

So reist nach den Koalitionsverhandlungen und der Europa-Woche erst einmal der Außenminister. Den will Bush zwar auch nicht empfangen, dafür sitzt die Verletzung noch zu tief. Aber Joschka Fischer hat einen guten persönlichen Draht zum Kollegen Colin Powell, den er heute Abend gleich nach der Ankunft trifft. Es ist sein einziger Regierungstermin – während einer immerhin dreitägigen Reise, von der er erst am Sonnabend nach Berlin zurückkehrt. Das restliche Programm: Begegnungen mit der Presse, ein Vortrag beim German Marshall Fund in Washington und einer – welch leise Ironie! – bei der Anti-Defamation League in New York, dazu Gespräche mit dem UN-Generalsekretär und dem Präsidenten der UN-Generalversammlung; Deutschland übernimmt ja bald den Vorsitz im Sicherheitsrat. Ein ungewohntes Verhältnis von Zeitaufwand und Ertrag in Fischers engem Terminkalender.

Und doch so richtig und wichtig. Es ist ja nicht anders als bei einem privaten Streit, der in der Sache kaum zu bereinigen ist, weil beide sich im Recht fühlen. Da bleibt nur: Zeit verstreichen zu lassen. Und äußerlich allmählich wieder Normalität herzustellen.

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