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Meinung: Flugaffäre: Nach der Affäre bleibt das Versagen

Irgendetwas mit Flügen. So viel ist klar.

Irgendetwas mit Flügen. So viel ist klar. Und klar ist auch, dass Rudolf Scharping noch immer Verteidigungsminister ist. Alles andere, die Zukunft des Angeschlagenen und die genaue Begründung für jenen Rücktritt, den die Opposition weiter verlangt, ist nicht so klar. Wie gesagt, irgendetwas mit Flügen.

Zum Thema Online-Spezial : Scharpings Flugaffäre Online-Umfrage: Soll Rudolf Scharping zurücktreten? Dokumentation : Scharpings Frankfurt-Flüge - die Liste des Ministers Erinnern wir uns. Da sind die Plansch-Fotos, die nun auch Scharping selbst bedauert. Dann wurde aufgedeckt, dass er für eine einzige Nacht mit Frau Pilati zwischen zwei Dienstterminen zurück nach Mallorca flog - auf Steuerzahlerkosten. Es folgten peinliche Rechtfertigungen - von Scharping und Pilati erneut per "Bunte" publiziert. Dann kam die Suche nach vorgeschobenen Treffen bei Scharpings zahlreichen Frankfurt-Flügen. Nebenbei soll der Minister in Mazedonien ausgeplaudert haben, was geheim zu halten die Nato beschlossen hatte.

Fehler, Taktlosigkeiten, Ungeschicklichkeit in Stilfragen und Grenzfälle der Vermischung von Privatem und Öffentlichem kommen zusammen. Doch wie es aussieht, könnte Scharping überleben - als Nutznießer eines Angriffs, der sich zusehends verzettelt hat. Es gibt gute Gründe, weshalb sich Gerhard Schröder längst von seinem Verteidigungsminister hätte trennen können. Keine Stilfragen - politisches Fehlverhalten. Der wichtigste Grund ist zugleich das schwerwiegendste Scheitern Scharpings. Die Anpassung der Bundeswehr an die Zeit nach dem Kalten Krieg ist zweifelsohne eine Mammutaufgabe, und gut vorbereitet hat sie die Vorgängerregierung auch nicht. Dennoch hätte Scharping anders steuern müssen.

Er pfropft der alten Bundeswehr eine kleine neue Bundeswehr aus Krisenreaktionskräften und Friedensbewahrern auf. Organisch vernetzt sind beide Teile nicht. Die Tiefendimension der Strukturreform fehlt. An zwei Punkten lässt sich deren Halbherzigkeit ablesen. Die Debatte über den Wehretat ist augenfällig, da die Union - und auch unsere Verbündeten - die Frage der Unterfinanzierung immer wieder zum Thema machen. Die zweite Frage ist ein wenig in den Hintergrund gerückt: Wehrpflicht, Wehrgerechtigkeit, die Möglichkeit des Übergangs zur Freiwilligenarmee.

Hier gibt es gute Gründe dafür wie dagegen. Es gibt aber keinen guten Grund für die defensive Kaltschnäuzigkeit, mit der Scharping sich der Diskussion verweigert hat. Von vielen Seiten wurde er bekniet, ergebnisoffen zu debattieren. Stattdessen hat der Minister honorige Vorschläge wie die der WeizsäckerKommission vom Tisch gewischt, noch ehe sie offiziell präsentiert wurden. So geht man mit Beratern nicht um, mit schwierigen Sachthemen nicht, und mit der Bundeswehr schon gar nicht.

Zu alledem gesellt sich Scharpings todessehnsüchtige Koketterie mit dem Rigorismus. Den Kosovo-Krieg hat er mit Thesen gerechtfertigt, die inhaltlich Übertreibungen und im Stil gefährliche Radikal-Moralismen waren. Der aktuelle Affären-Kanon hätte bei dieser Vorgeschichte das Fass zum Überlaufen bringen müssen. Dass Rudolf Scharping bislang nicht sein Amt verloren hat, liegt an der Ziel-Schwäche seiner politischen Gegner.

Zwei Tage lang wurde der Eindruck erweckt, nicht der Mallorca-Ausflug, sondern der Abzug der für zwei Unionspolitiker vorgesehenen Maschine sei wichtig. Die Frankfurt-Tripps stehen mal im Zentrum, mal sind sie "Korinthenkackerei". Hätte die Union den jeder Verhältnismäßigkeit widersprechenden Liebesflug zum Angriffspunkt gemacht und dabei die Verbindung zu jenen politischen Unterlassungen gezogen, die natürlich viel schwerer wiegen, wäre, aus ihrer Sicht, die Ernte längst in der Scheuer.

Falls Scharping tatsächlich politisch überlebt, dann als Holzkasper, der von der ruhigen Hand des Kanzlers baumelt. Dass Schröder kurz vor zwei Landtagswahlen keinen weiteren Minister verlieren möchte, liegt nahe. Ein Ausweis von Stärke wird daraus nicht. Denn jetzt ist Scharping ein Minister auf Bewährung, schwach, lavierend und von Geldsorgen geplagt, gepeinigt zusätzlich von den Pannen bei der Privatisierung. Rückhalt? Keiner. Sein Amt? Ein Gnadenakt des Kanzlers. Die Partei? Vom Ex-Chef genervt. Das ist, was bleibt. Politik lässt sich so nicht gestalten.

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